Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 04.09.2011, 15:19   #8
Stimme der Zeit
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Benutzerbild von Stimme der Zeit
 
Registriert seit: 15.03.2011
Ort: Stuttgart
Beiträge: 1.836
Standard

Hallo, Erich,

Zitat:
Habe noch mal drübergegrübelt von wegen "tiefblauen".
Also, wenn ich die Strophe lese, kann ich ganz normal das "tief" betonen, weil die Stimme hinten bei "mondenmächtigen", beim "tigen" schon runtergeht. Da betone ich das "mäch". Wo also siehst du einen Lapsus?

des MONdenMÄCHtigen, TIEFblauen WELtenALLs
hinUNter IN das SCHATTenspIEL der DOME?
Ich versuche, es zu veranschaulichen. Das zugrundeliegende Metrum ist ein fünfhebiger Jambus (im Sonett Endecasillabo), in diesem Fall im Kreuzreim; hier alternierend mit männlichen (stumpfen) / weiblichen (klingenden) Kadenzen.

hinunter in das Schattenreich der Dome? - völlig in Ordnung.


Zur Verdeutlichung:

des mondenmächtigen, tiefblauen Weltenalls - xXxXxxXxxXxX - das wären demnach zwei daktylische Versfüße, die nicht zum fünfhebigen Jambus passen.

(Das liegt an den "Nachsilben" (Suffixe), hier -gen und -en. Sie sind regulär unbetont.)


Zur ergänzenden Veranschaulichung:

"mondenmächtigen" besteht aus zwei Worten, "monden" und "mächtigen" - Xx und Xxx.

tiefblauen desgleichen: "tief" und "blauen" - X und Xx. Zusammen wäre das: XXx, was, wie weiter unten ausgeführt, im Deutschen nicht möglich ist. Daher muss es Xxx sein.

Weltenalls dagegen aus "Welten" und "All(s)". "alls" ist keine Nachsilbe, im Gegenteil zu -gen und -en.

Wie du siehst, liegt das Problem an den Suffixen. Stellvertretend wähle ich "tiefblau". Es wird so betont: Xx, da es, wie oben erwähnt, im Deutschen keine Spondäen (umgangssprachlich auch "Hebungsprall" genannt) gibt. Deshalb kann in den künstlichen Versfüßen eines Metrums "tiefblau" also nicht XX betont werden. Im Deutschen werden zweisilbige Worte generell auf der ersten Silbe, die als "Stammsilbe" betrachtet wird, betont: Xx. Vorsilben (Präfixe), wie beispielsweise "er-", "ver-" oder "be-" (z. B. "bedanken" - xXx) sind etwas ganz anderes, denn die Stammsilbe "dank" liegt zwischen einem Präfix und einem Suffix, daher wird hier auf jeden Fall "dank" betont.

Hinzu kommt, dass, selbst wenn das alles nicht der Fall wäre - hier nur zur Erläuterung von "Einzelfällen", die ebenfalls vorkommen können - das sogenannte "Silbengewicht" ins Spiel käme. Das beträfe in diesem Fall "tief" vs. "blau". Beide haben vier Buchstaben, sind in diesem Sinne also "gleichgewichtig". "tief" besitzt zwei "harte" Konsonanten: t und f, sowie einen hellen Doppelvokal (Diphthong): ie. "blau" besitzt nur einen "weichen" Konsonanten: b und einen neutral/dumpfen Doppelvokal: au. Ergo: "tief" ist "schwerer" bzw. "gewichtiger" als blau. "tief" muss also betont werden, egal, unter welchem Aspekt man es betrachtet.

Genau dasselbe gilt für "mondenmächtigen" - XxXxx. - gen als Suffix ist unbetont, es sei denn, es würde nach geltenden Betonungsregeln, in der es keine drei aufeinanderfolgenden unbetonten Silben geben darf, "künstlich angehoben", was z. B. der Fall wäre, wenn "tiefblauen" xXx betont würde (was falsch ist); dann ergäbe sich: mondenmächtigen, tiefblauen = XxXxxxXx. Ergo: Eine "automatische Betonung" der Nachsilbe -gen. Das aber nur als Beispiel, denn auf "blau" zu betonen wäre völlig falsch!

Ich hoffe, ich konnte dir weiterhelfen.

Liebe Grüße

Stimme
__________________
.

Im Forum findet sich in unserer "Eiland-Bibliothek" jetzt ein "Virtueller Schiller-Salon" mit einer Einladung zur "Offenen Tafel".

Dieser Salon entstammt einer Idee von unserem Forenmitglied Thomas, der sich über jeden Beitrag sehr freuen würde.


Stimme der Zeit ist offline   Mit Zitat antworten