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Alt 04.05.2009, 19:34   #1
a.c.larin
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Standard Das Märchen vom Königskind, Teil 1 + 2

Ein Kind lebte einmal in einem wunderschönen Garten, es war nämlich ein Königskind, Herrscher über ein großes Reich und dazu ausersehen, später einmal, wenn es groß sei, dieses auch zu regieren.
Einmal schenkte ihm sein Vater einen buntschillernden Vogel in einem goldenen Käfig. Den sollte das Königskind haben und sich an seinem Gesang erfreuen. Doch der gestrenge Vater mahnte das Kind auch, niemals das Türchen des Käfigs offen stehen zu lassen, damit das kostbare Tier nicht entfliehe.
So vergingen die Tage und Wochen und ein Winter kam und ging, da bemerkte das Kind, dass sein Vogel immer kränker und kränker wurde, ja, bald versagte ihm sogar die Stimme und sein munterer Gesang war nur noch ein jämmerliches Piesen.
Da deuchte dem Königskind eines Abends, dass es ein flehendes Stimmchen vernahm: "Lass mich in den Himmel steigen, von dem mich dein Vater genommen hat, gib mir das Fliegen zurück!" Zuerst wusste das Königskind gar nichts Rechtes damit anzufangen, doch schon bald erkannte es den wahren Urheber des Flehens. Da wurde ihm bang ums Herz, denn was sollte es tun?

Das Geschenk des Vaters verschmähen und dem Vogel die Freiheit schenken?
Den Vogel behalten und damit vielleicht noch dessen Tod verschulden?
Und wie es so dachte und dachte und keinen Rat sich wusste, da kam ihm der Wind zu Hilfe. Er blies eine schillernde Vogelfeder aus dem Käfig, und sie stieg und stieg, schwebte leichthin davon, höher und höher, tänzelte in den Lüften und funkelte tausendfärbig zur Erde hernieder. Da konnte das Kind nicht mehr anders, als den Vogel ziehen lassen, wohl wissend, dass am anderen Morgen Schlimmes kommen möge......
Daher war es auch nur wenig verwundert, als der mächtige König am nächsten Morgen in Wut geriet ob dieser Geschichte. "Was?" empörte sich dieser. "Du achtest meiner Geschenke nicht? Was bist du nur für eine nichtsnutzige Person, ohne Pflichtgefühl und Ehre! Und du willlst später einmal das Land regieren? So nimm deine Sachen und geh - denn hier hast du nichts mehr verloren!"
Und so ging das Kind , mit unendlich schwerem Herzen und zu Tode betrübt aus Schloss und Garten, doch zugleich war es auch still und gefasst, denn es war ja ein Königskind und das Bewusstsein seiner Würde war ihm in die Wiege gelegt. Und obwohl es im Innersten unsagbar litt, ging es mit ruhigen Gedanken, Schritt um Schritt einer ungewissen Zukunft entgegen....

Tage und Wochen vergingen, in denen nichts Außergewöhnliches passierte, da entdeckte das Königskind in der Ferne etwas Schillernes, Leuchtendes, das langsam vom Himmel hernieder sank. Und weil es so traurig war und ja nun wirklich nichts, aber auch gar nichts mehr hatte, an dem es sich erfreuen konnte, ging es dem Gefunkel nach. Bald entdeckte es die schillernde Vogelfeder, die der Wind dereinst aus dem Käfig getrieben hatte. Es sprach:
" Deinetwegen ist mir ein Unheil widerfahren." Aber es nahm die Feder ja doch zur Hand - vorsichtig, und wie zum Trost.
In diesem Augenblick verwandelte sich das Federchen in sprühenden Funkenregen, der nach allen Seiten auseinander stäubte. "So habe ich auch dieses verloren," wehklagte das Kind und wollte nun endgültig verzagen, da hielt es noch einmal inne, um ganz genau hinzusehen.
Denn siehe: All die Körnchen und Stäubchen waren ringsum in die Erde gefallen und begannen zu keimen und zu sprießen! Da wuchsen Blumen und Gräser, Büsche und Bäume in weitem Umkreis rund um das Königskind.
Und es wurde ein Garten daraus, schöner und größer als der alte Garten je war. Und viele bunte, schillernde Vögel zogen ein in die Kronen der Bäume und sangen ihm so innig und so schön , dass von weither Menschen kamen, um den Gesang der Vögel zu hören.
Und so manchem schenkte das Königskind eine kleine, schillernde Feder.....
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Cogito dichto sum - ich dichte, also bin ich!
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