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Alt 16.08.2009, 07:03   #19
a.c.larin
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Menschliche Erziehung, Teil 2
Muss sagen : Herrchen war schon wirklich ein zäher Brocken! Aber nicht unüberwindbar. Sonst hätte ich wohl kaum in der Kastanienbaumallee Nummer 8 landen können! Die Sache war so : Frauchen war dafür - Herrchen nicht.
Die Kinder fanden mich ohnehin "sooo süüß!" (Jungvolk tut aber nichts zur Sache. Wer in ein Rudel aufgenommen werden will, muss sich immer an das Leittier halten) In dem Fall gab es also zwei Leittiere- und die waren sich, was meine Aufnahme anbetraf - uneins.
Einen Keil zwischen beide hineinzutreiben wäre jedoch strategisch unklug gewesen - sie hätten es mir hinterher zum Vorwurf machen können! Also musste ich differenzierter vorgehen: Einerseits Frauchens Zuneigung umschmeicheln, andererseits Herrchens Ablehnung ignorieren. Gerade mit ihm war ich daher zu Anfang ganz besonders aufmerksam. Da er resigniert feststellen musste, das sein Weibchen an mir einen Narren gefressen hatte, ließ er mich zunächst einmal irgendwie existieren (am Rande seines Bewusstseins).
Grundregel Nummer Eins: Mach dir nie das Männchen zum Nebenbuhler!
Sobald Herrchen in Frauchens Nähe erschien, wurde ich unsichtbar und verkrümelte mich irgendwo im Garten, war er fort , schlich ich mich in Frauchens Nähe, machte schöne, dicke, große Kulleraugen und startete eine Charmeoffensive nach der anderen. Sie schmolz dahin wie Eis in der Sonne - (was nicht anders zu erwarten war )
Herrchen, das wusste ich sofort, brauchte eine Sonderbehandlung.
Also beobachtete ich ihn geraume Zeit bei allen seinen Tätigkeiten:
Wenn er im Garten rumwerkte, lag ich in einigen Schwanzlängen Entfernung und heuchelte enormes Interesse,
wenn er sein Lauftier putzte, nickte ich ihm anerkennend zu und beschnüffelte das Ergebnis mit sichtlichem Wohlgefallen, wenn er im Haus kaputte Gegenstände reparierte, saß ich zwar schweigend, aber mitleidsvoll und trostspendend an seiner Seite......
Ich wartete auf eine Gelegenheit......
Schließlich - inzwischen waren bereits ein paar Wochen vergangen - kam sie:
Mittlerweile war er daran gewöhnt, dass ich ihm häufig bei unangenehmen Tätigkeiten Gesellschaft leistete, deshalb begann er , sich mit mir zu unterhalten: " Na Kater," meinte er einmal unvermittelt, "Das alte Ding da hab ich doch toll wieder hingekriegt, was meinst du?" Ich schmiegte mich sofort an seine Beine und versicherte ihm, dass kaum jemand irgendwann einmal etwas Besseres zustande gebracht hätte - was er mir sofort abnahm - und hüpfte ihm, weil er gerade beim Küchentisch saß - auf seine Oberschenkel, um einen ersten tiefen Blick in seine Augen zu senken..... da war schon irgendetwas ins Schwanken geraten, das Leuchten darin flackerte so komisch, was immer ein untrügliches Zeichen dafür ist....
Von diesem Augenblick an verlegte ich meine Eroberungstaktik in die Nacht. Einen Platz in Frauchens Bett hatte ich mir sowieso bereits ersessen ( zumindest als Mitbenützer), nun robbte ich leise und mit größter Vorsicht Nacht um Nacht ein Stück weiter, auf Herrchens Seite....
Einmal dort angelangt, begann ich mit dem Mentaltraining. Langes, intensives Anstarren kann Menschen ziemlich verwirren. Und wenn sie mal schlafen, merken sie nichts davon! Herrchen schlief zumeist ziemlich tief und fest.
Ich musste zwar immer höllisch aufpassen, dass er sich nicht unvermittelt umdrehte - das wäre meinen Pfoten und meinem Schwanz wohl nicht so gut bekommen, doch im Großen und Ganzen konnte ich all mein Wünschen und Wollen lange Zeit ungehindert auf ihn richten......
Eines Nachts, als ich wieder mal intensiv starrte und ihm :"Du liebst mich! Du liebst mich! Du würdest alles für mich tun!" einflüsterte, wachte er plötzlich auf - und blickte verdutzt in mein Gesicht, das nur wenige Nasenlängen von dem seinen entfernt war. Sein Erstaunen war riesengroß - und meine Wirkung auf ihn in dieser Nacht wohl durchschlagend, denn am nächsten Morgen sagte er beim Frühstück zu seinem Weibchen: "Martha, wenn der Kater hier bleiben soll, müssen wir aber an der Vordertüre eine Katzenklappe anbringen!"
Welch unglaubliche Brillanz des Gedankenganges! Welch sensationelle Logik in der Schlussfolgerung!
Welch absolute Vernunft und Konsequenz in der Umsetzung!

In der Folge bekam Herrchen von Frauchen einen Kuss und von mir zwei, drei Nasenstupser.
Mehr hätte ihn zu sehr geniert, denn schließlich tat er doch, was er tat, in seiner Funktion als Chef des Rudels und nicht etwa, um damit Lob und Anerkennung zu bekommen....
Wir versichterten ihm, dass er der Beste wäre, unübertrefflich, unnachahmlich, durch nichts und niemanden zu ersetzen.....
Am Abend desselben Tages war ich anerkanntes Mitglied der Familie, mit eigenem Ein- und Ausgang, verwendbar nach persönlichem Gutdünken! Ich war überglücklich.......

In den Wochen darauf, besorgte ich meinem neuen Rudel noch den nötigen Feinschliff.....

Wird fortgesetzt!
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Cogito dichto sum - ich dichte, also bin ich!

Geändert von a.c.larin (14.10.2009 um 21:37 Uhr)
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