Thema: Adventelegie
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Alt 03.12.2015, 07:01   #6
Friedhelm Götz
Schüttelgreis
 
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Hallo charis,

ich hatte eine längere Stellungnahme vorbereitet, aber ich kann nur mit der linken Hand schreiben, nun ist mir wolo zuvorgekommen. Den "Vorwurf" an Goethe hast du entfernt, so dass ich nur noch zur Frage der Trochäen und ihrer Verteilung etwas sagen möchte. Dazu muss man den Bauplan von Distichen (Hexameter und Pentameter) kennen (zitiert nach Ferdi):

Ein Distichon besteht aus zwei Versen, einem Hexameter und einem Pentameter. "X" steht im folgenden für eine betonte, "x" für eine unbetonte Silbe. Eingeklammertes (x) bezeichnet Silben, die entfallen können.

Hexameter: X x (x) / X x (x) / X x (x) / X x (x) / X x x / X x
Pentameter: X x (x) / X x (x) / X | X x x / X x x / X

Der eigentlich antike Hexameter besteht im Deutschen aus fünf Daktylen und einem abschließenden Trochäus. Bei den ersten vier Versfüßen kann allerdings eine der unbetonten Silben wegfallen (das jeweils eingeklammerte "x"), so dass an dieser Stelle ein Trochäus steht. Normal ist eine ausgewogene Mischung von Daktylen und Trochäen. Ich habe mal bei einer Übung aus Jux im Hexameter alle vier möglichen Stellen mit Trochäen ausgereizt, was Claudi auf den Plan rief, das wäre zuviel des Guten, mehr als zwei Trochäen in einer Zeile sollten es also nicht sein.

Der gleichfalls eigentlich antike Pentameter besteht im Deutschen ebenfalls aus sechs daktylischen Versfüßen. Allerdings fallen beim dritten und sechsten Fuß die beiden Senkungen weg. Dadurch entsteht zwischen dem dritten und dem vierten Fuß durch das Aufeinandertreffen zweier betonter Silben eine feste Zäsur. Die ersten beiden Versfüße können durch den Ausfall einer unbetonten Silbe (die eingeklammerten "x") zu einem Trochäus verkürzt werden, die zweite Vershälfte hat dagegen immer die gleiche Gestalt.


Seit gut einem Jahr übe ich mich in Distichen und habe die einschlägigen Werke von Goethe und Mörike studiert, letzteren schätze ich als Fellbacher besonders. Alle diese Werke zeichnen sich durch die ausgewogene Mischung von Daktylen und Trochäen aus, wobei Mörike auf diesem Gebiet besonders sorgfältig war und seine Werke mehrfach überarbeitet hat. Eine Beschäftigung mit seinen Werken lohnt sich.

LG Fridolin
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