Thema: Am Lagerfeuer
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Alt 21.03.2009, 01:30   #22
Ibiado
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 17.02.2009
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Beiträge: 224
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Hallo Dana,
du schriebst:

Zitat:
Das Naturgesetz, Gott oder wer immer es so eingerichtet hat, ist allwissend.
Sein Plan, das wusste er, geht nur auf, wenn er uns glauben läßt, wir wären die Macher. Er ist Beobachter und wird sich nicht ein Bühnenstück geschaffen haben, wo die Akteure in Lethargie verfallen. Vielleicht macht es ihm Freude, unseren Eifer zu sehen für etwas, was sowieso geschieht.
Das führt mich zum Verständnis für Leute, die sich selbst für Gott halten.
Wer die Lehre hört, alles sei gelenkt und vorbestimmt, und dann merkt, dass er davon frei ist, kann auf den Gedanken kommen, dass er selbst die große Ausnahme sei, er könne sich selbst zu diesem zynischen Beobachter und heimlichen Lenker machen.
Ein Gedicht von Christian Morgenstern deutet an, dass er sich auch Gedanken in dieser Richtung gemacht hat, allerdings ohne Größenwahn. Die letzten Zeilen von "Wohl kreist verdunkelt oft der Ball" lauten:

Sie lachen mit den weißen Zähnen
den Göttern andrer Sterne zu –.
Komm, Bruder, laß die leeren Tränen,
wir sind auch Götter, ich und du!

Sein Gedicht "Den Flachen" drückt aus, wie leer und öde eine Welt ohne Gott ist:

Ihr wisst und ahnt es freilich nicht
was Gott abschwören heißt;
wie groß und traurig der Verzicht
für einen edlen Geist.

Nicht, dass die Bitten es verwarf,
bedrückt ein heißes Herz,
doch dass es nicht mehr danken darf:
Das ist sein tiefster Schmerz.

Jetzt kann ich es nicht lassen, gleich noch auf Franz-Josef Degenhardts Lied "Dankst du dem Mann von nebenan" hinzuweisen.
Mein Anliegen: Blick auf Gefühl hinlenken. Welches Gefühl löst es aus, zu erkennen, dass man ein lebender Mensch ist, in eine Welt hereingekommen, die man "gemacht" vorfand, ohne eigenes vorheriges Dazutun, eine Muttersprache geschenkt bekommen zu haben - äh, die Möglichkeit, eine zu erwerben, meine ich - in der man kommunizieren, sogar dichten kann, eine Welt vorzufinden, die man bestaunen kann, Mitmenschen um sich zu haben, die man lieben kann.
Nach Morgenstern könnte der Mensch schon über dem Wunder eines einziges Baumes den Verstand verlieren, wenn er die Welt nicht von klein auf gewohnt wäre...
Zum Gefühl "Dankbarkeit" kommt dann noch so was wie sich verantwortlich fühlen.
Das wäre alles nicht möglich, wenn da nur ein vorprogrammiertes Marionttentheater abliefe.
Ist es nicht ein Riesenglück, dass diese Meiose gerade dazu geführt hat, dass solche Wesen wie wir ... - Zufall sei Dank? Vorherbestimmung sei Dank?
Nur mir selber sei Dank? Ahnenreihe einschließlich Eltern sei Dank?
Oder einem, der uns täuscht und glauben lässt, wir wären die Macher?
Lass uns noch ein Weilchen ins Feuer gucken und nachdenken.
Ganz zahm und ohne Axt
Ibiado
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