Thema: im park
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Alt 28.12.2011, 14:50   #2
Stimme der Zeit
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Hallo, wolo,

ich interpretiere das in doppelter Hinsicht als Beschreibung. Einmal bezogen auf eine direkte Beobachtung (das LI, morgens im Park) und andererseits als die Beschreibung eines typischen "Planverhaltens" unserer Zeit. Hinzu kommt auch die Tatsache, dass sich meines Erachtens nach das LI "orientierungslos" fühlt. Ich finde, der Inhalt trifft in diesem Fall "punktgenau" die Rubrik, in der er steht.

Auf mich wirkt das "Betreten der Planquadrate", so, als ob das LI das selbst "nicht geplant" hätte und sich deshalb mit "losen Schritten" (halt- / "führungslos"?) bewegt. Es gibt kein erkennbares (geplantes) Ziel und daher fehlt die "Mitte" (worunter ich auch die "innere Mitte" bzw. den "inneren Halt" verstehe). Hier stelle ich mir die Frage, ob das LI ansonsten auch ein "Planer" ist und daher mit seiner ungeplanten Anwesenheit im "Park" nicht zurechtkommt?

Die Jogger im metaphorischen Vergleich mit Longenpferden. "An der Leine" des "Zeitgeists"? Schwatzend und stumm. Manchmal sehe ich auch Jogger mit geradezu "verbissenen" Gesichtern. Warum tun sie etwas, das ihnen keinen "Spaß" macht? Weil es "dazugehört", weil es "in" ist oder weil es "erwartet" wird? Mir scheint es oft so, als ob viele nicht aus eigenem Antrieb unterwegs sind. Man trifft sich mit anderen und zeigt so: Schau her, ich bin sportlich, ich bin fit. Imagepflege?

Bei Strophe 3 gefällt mir das Bild der "Schafe, die hier vor tausend Jahren grasten" inhaltlich besser, ich würde es trotz der unterschiedlichen Vokale (kurzes/langes "a") eigentlich bevorzugen. Der Hund folgt den "Spuren" der "Vergangenheit". Die Schafe symbolisieren für mich etwas, das lange vergangen ist und heute im "Park" nicht mehr zu finden: Zeit und Ruhe, ein Bild der "Friedlichkeit".
Dem kann der Hund nicht lange folgen, sein Herrchen oder Frauchen hat sicher den Spaziergang "geplant", und als "braver Hund" folgt er sofort dem "Pfiff" - keine Zeitverschwendung, bitte. Interessant: "und die Läufer hasten". Sie haben es eilig, laufen vorbei - vielleicht auch an der Möglichkeit der Ruhe?
Ganz kurz: rechtsum kehrt, dachte ich beim ersten Lesen. Danach revidierte ich diese Meinung, ich denke, das ist absichtlich so geschrieben. Der "Hund macht es "recht", wenn er "umkehrt" - doppelsinnig, gefällt mir!

Gut gemacht, das Bild der "langsam aufwachenden Vögel" - sie lassen sich Zeit, schön langsam, im Einklang, ohne Hetze. Einfach weil es "natürlich" ist, aufzuwachen. Obwohl Vögel ja "Frühaufsteher" sind - es ist noch neblig, früh am Morgen. Die beiden letzten Verse gefallen mir am besten:

Zitat:
menschen holen keuchend schnauf
planvoll wird es morgen
Die Vögel erwachen in aller Ruhe - und die Menschen keuchen, außer Puste vom schnellen Laufen. "keuchend schnauf" ist ein echtes "Glanzlicht" als Formulierung, das brachte mich trotz des ernsten Inhalts zum Schmunzeln.
Der letzte Vers ist sehr gut: Ebenfalls doppelsinnig, das "planvoll" - im Sinne von "ganz wie geplant" und im Sinne von "voller Plan/Pläne". Für den sicher ebenso "vollen", "geplanten" Tag.
Und er führt "zurück zu Vers 1" - ein Beispieltag, für viele Tage (oder jeden Tag?) ...

Das Metrum ist "gut geplant". Jeweils zwei Verse in vierhebigen Jamben, gefolgt von einem vierhebigen Trochäus und einem dreihebigen im letzten Vers der Quartette. Das passt, es wirkt auf mich wie ein "Schrittrhythmus", ergänzt durch die alternierenden männlichen und weiblichen Kadenzen. "Links-rechts-links-rechts" und "lang-lang-lang-kurz".

Und natürlich mag ich Stilmittel, wie z. B.: Planquadrat/Planquadrat oder manche/manche (Repetitio) und die Alliterationen. Das gilt auch für die gewählten Metaphern.

Das "t" bei "rechtsumkehrt" habe ich bemerkt, aber hier gilt für mich das Gleiche wie bei dem zuvor erwähnten Vokal "a" - hier ist es der Inhalt wert, die Form ruhig auch einmal "unterzuordnen". (Sooo akribisch bin ich gar nicht. )

Sehr gerne gelesen und kommentiert.

Liebe Grüße

Stimme
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