Thema: Ophelia
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Alt 08.03.2016, 19:53   #3
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Zitat:
Zitat von Chavali Beitrag anzeigen
Der grüne Wasserteppich hält dein Kleid gefangen
und Sonnenlicht bescheint dein Angesicht.
Das Blätterdach verhindert Ufersicht.
Im Tod ist alle Liebespein vergangen,

die dich gequält dein langes kurzes Leben.
Die Stimme, die dich ruft, ist silberhell und nah,
sie weiß, was zwischen Liebenden geschah.
Sie wird, was du verloren, wiedergeben.

Die weißen Blumen werden deinen Körper decken,
und Steine, tangbekränzt, die Bettstatt sein.
Denn niemand wird dein Leben jemals wecken,

weil jeder deiner Träume die Hölle wiedersah.
Der Fluss, er bäumt sich auf im letzten Beben,
und Mondlicht ist der letzte Widerschein.


Hi, Chavi!

Schönes Sonett mit (noch) kleinen Schönheitsfehlerchen:

Der grüne Wasserteppich hält dein Kleid gefangen Sechs Heber - einer zuviel.
und Sonnenlicht bescheint dein Angesicht.
Das Blätterdach verhindert Ufersicht. Ein so lapidarer Satz, dass er schwerlich in diesen sonst lyrischen Text passt.
Im Tod ist alle Liebespein vergangen,

die dich gequält dein langes kurzes Leben. "langes kurzes Leben" - genial! Ein kurzes Leben, durch Qual erschien es ihr lang. Gut verdichtet! (Sonst: "dein allzu kurzes Leben") Das Verb ist zwar unvollständig, aber hier wirkt es nicht allzu auffällig.
Die Stimme, die dich ruft, ist silberhell und nah, Sechs Heber.
sie weiß, was zwischen Liebenden geschah.
Sie wird, was du verloren, wiedergeben. Unvollständiger Satzteil.

Die weißen Blumen werden deinen Körper decken, Sechs Heber.
und Steine, tangbekränzt, die Bettstatt sein. Komma am Ende, besser keinen Satz mit "Denn" beginnen. "dir" statt "die" ist lyrischer.
Denn niemand wird dein Leben jemals wecken, Falsche Aussage: Es ist kein Leben mehr vorhanden, das geweckt werden könnte.

weil jeder deiner Träume die Hölle wiedersah. Senkungsprall "Träume die Hölle", sechs Heber. Der Reim ist ungewöhnlich.
Der Fluss, er bäumt sich auf im letzten Beben,
und Mondlicht ist der letzte Widerschein. Wortwiederholung "letzten/letzte" mit Vorzeile. Jetzt Mondenlicht, und oben (S1Z2) Sonnenlicht?


Korrekturversion:

Der grüne Teppich hält dein Kleid gefangen
und Mondenlicht bescheint dein Angesicht,
das fortan schweigt, denn Tote reden nicht.
Im Sterben ist das Liebesweh vergangen,

das dich besaß dein langes kurzes Leben.
Die Stimme, die dich ruft, ist hell und nah,
sie weiß, was zwischen Liebenden geschah.
Sie wird, was du verlorst, dir wiedergeben.

Die Blumen werden deinen Körper decken,
und Steine, tangbekränzt, dir Bettstatt sein.
Aus diesem Schlaf kann niemand dich erwecken,

von diesem Bett wirst du dich nie erheben.
Die Brust, sie bäumt sich auf - ein letztes Beben,
und glatter wird des Mondes Widerschein.


Alles fünfhebig, melodisch und mit klaren Sinnzusammenhängen. Nimm, was dir brauchbar erscheint.

Nun noch zum Reimschema: Normal beim Sonett sind ja die umfassenden Reime der Quartette, und danach 2 oder 3 eigene Reime in den Terzetten. Wenn man schon Reime aus den Quartetten in den Terzetten wiederholt, so sollte dies regelmäßig geschehen, damit alle Reime gleich oft vorkommen. Wenn also der Reim aus S1Z1/4 in den Terzetten wiederholt wird, so sollte auch der Reim von S2Z1/4 dort wiederholt werden usw.

Wie sah es nun in deiner Ursprungsversion aus?

ABBA - CDDC - EFE - DCF

Du wiederholtest beide Reime aus S2, aber nichts von S1. Das ist unregelmäßig. Korrekte Beispiele: ABBA - CDDC - AEC - AEC oder ABBA - CDDC - EBD - EBD oder bei gleichen Reimen in beiden Quartetten: ABBA - ABBA - BCB - ACA (ABC - ABC usw...)

Die Korrekturversion löst das Problem nicht ganz, aber hier bleibt immerhin die interne Reimstruktur der Terzette gewahrt, da innerhalb der Terzette nichts ungereimt bleibt.

Sehr gern gelesen und beklugfummelt!

LG, eKy
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Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
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Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
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Geändert von Erich Kykal (08.03.2016 um 23:05 Uhr)
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