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Alt 23.04.2012, 10:40   #5
Justin
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Hallo Faldi,

ein in der vorigen Woche veröffentlichter Zeitungsartikel geht vermutlich zurück auf das Interview mit M. Mosebach und seine niveaulose Auslassung. Wer das liest fühlt sich ins tiefste Mittelalter versetzt und kann nur den Kopf schütteln. Glücklicherweise hält sich die Zeitung in erster Linie an statistische Fakten und spart auch den Autor mit seinen schrägen Ansichten aus. Ansonsten würde die geschundene Seele der Ossis noch mehr in Aufruhr geraten.

Zu Wendezeiten gab es im Osten eine Initiative "Für unser Land". Dazu gehörte auch der Schriftsteller Stefan Heym. Nun war dieser alles andere als rückwärtsgewandt, doch hat er in weiser Vorausahnung Dinge kommen sehen, die schwer zu schlucken wären. Seine Befürchtungen haben sich dann wirklich bestätigt.

Am schlimmsten ist es, wenn Menschen plötzlich bekehrt werden sollen, nur weil sie keiner Konfession angehören. Da setzte ein missionarischer Eifer ein, der jetzt von Mosebach ein weiteres Mal hochgekocht wurde. Seine Äußerungen sind diffamierend, weil er in seinem Steinzeitdenken wahres Menschsein allein von einer Religionszugehörigkeit abhängig macht. Gütesiegel und Werturteil über menschliche Tugenden werden anderen abgesprochen, die darüber in gleichem Maße verfügen, wenn nicht gar in noch stärkerer Ausprägung.

Ossis wußten sich schon vor der Wende gut zu benehmen und hatten vielfach eine kulturellere Ader als im Westen. Ich sage das, weil der missionarische Eifer so weít gehen konnte, um anzunehmen, man müsse ihnen erst mal beibringen, wie man mit Messer und Gabel ißt. Wie sah das Zusammenleben zwischen Christen und Atheisten aus? Ganz normal in dem Sinne, daß der Glaube überhaupt keine Rolle gespielt hat, sondern der menschliche Maßstab ausschlaggebend war. Es gibt sogar Äußerungen von Geistlichen, die zugeben, daß der Gerechtigkeitssinnn von Atheisten oft ausgeprägter ist als derjenige von Christen, diese sich also weitaus christlicher verhalten und deshalb nicht verurteilt werden sollten. Grund genug für M. Mosebach und andere Heilsbringer, sich darüber Gedanken zu machen.

Faldi, Dein Gedicht ist scharfzüngig ausgefallen, aber angesichts dieses üblen Kommentars hätte ich es anders gar nicht lesen wollen. Es hat mir natürlich auch deshalb gefallen, weil die Strophen in gewohnt guter Metrik abgefaßt sind.

Liebe Grüße

Justin
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