Thema: Adventelegie
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Alt 06.12.2015, 14:11   #12
Claudi
Senf-Ei
 
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Hallo Charis,

Du hast Dir gleich zwei Höchstschwierigkeiten vorgenommen, alle Achtung! Das Distichon erfordert einiges an Übung, weil es dabei so viele Dinge zu beachten gilt, die man als Anfänger einfach nicht alle auf einmal im Blick haben kann. Keine Sorge, das wird schon, wenn Du kontinuierlich dranbleibst.

Fridolin und Wolo haben ja schon ein paar Fehler herausgepickt und einige Tipps dagelassen. Ich will jetzt gar nicht so viel in Deinem Werk herumstochern, sondern mich lieber auf die ganz kleinen Schritte konzentrieren. Zu Deiner Frage:

Zitat:
Mich würde noch interessieren, ob man die Trochäen, wenn man sie einsetzt, in beiden Zeilen regelmäßig verteilen muss.
Der Hexameter und sein Gegenspieler, der Pentameter, sind Bewegungsverse, d.h. sie leben von der fortlaufenden Variation kleiner "Bewegungsfiguren". Man könnte es mit Tanzen vergleichen, und es geht darum, nicht immer den Grundschritt (Daktylus) auszuführen, sondern ständig neue Fguren zum immer gleichen Takt zu tanzen. Deswegen entspräche dem Wesen der Verse eher ein Variieren als ein Wiederholen, aber das lässt sich natürlich nicht mathematisch ausloten, und je nachdem, was man ausdrücken will, muss es sich nicht zwangsläufig störend auswirken, wenn die Trochäen mal in beiden Versen an der gleichen Stelle sitzen. Im Pentameter können sowieso nur in der ersten Vershälfte Daktylen durch Trochäen ersetzt werden.

Auf den Goethevers kann ich vielleicht später nochmal eingehen. Offensichtlich sind Dir seine Stärken nicht ganz verborgen geblieben, wenn Du die erste Vershälte als Schablone verwendest. Es wäre doch eine schöne Übung, hierfür die perfekte zweite Hälfte zu suchen? Vor allem würde ich mich aber erstmal auf die Zäsuren konzentrieren, und das geht am besten in Alltagsprache, ohne dabei auf Sinnhaltigheit Rücksicht nehmen zu müssen. Versuche einfach frei von der Leber alles, was Dir in den Sinn kommt, mit Zäsur zu formulieren.


Satire ist das zweite schwierige Fach. Die kommt mir in Deinen Elegien noch nicht klar genug heraus. Zum Teil liegt es wohl an der lose zusammengebundenen Form. Wenn Du Dich sprachlich mehr aufs Altertümeln verlegen möchtest, käme vielleicht eine Epistel nach biblischem Vorbild oder eine Predigt als Grundkonzept infrage? Da wäre dann sowas wie der Blendwerk-Vers passend, vorausgesetzt es käme deutlicher heraus, wer hier zu wem spricht und auf was sich die Anspielungen beziehen. Das Kind beim Namen nennen!

Für eine modernere Variante, die mit Reizwörtern wie "Gutmensch" und "linkes Gesocks" spielt, wäre ich eher zu begeistern. Das "linke Gesocks" würde ich dann aber z.B. genauso schön scharfkantig lesen wollen: XxxX. In diesem Spiel üben wir solche spöttischen, scharfzüngigen Sachen. Vielleicht hast Du ja Lust mitzumachen. Da würde sicher auch Politisches reinpassen.


Zitat:
Den Bezug "Blendwerk" - "Hechte im Trüben", darf man hier aber ruhig hinterfragen
Unbedingt! Nur so, wie Du die beiden Phrasen hier verwoben hast, liest man die Hechte als Gleichsetzung zum Blendwerk. Da fehlt genau die Klarheit, die ich meine.


So, das soll für heute reichen. Fühl Dich auf keinen Fall entmutigt durch die Kritikpunkte und scheue Dich nicht, uns Löcher in den Bauch zu fragen. Ich freue mich immer, wenn das Gespräch auf den Hexa kommt, habe nur nicht immer sofort Zeit zum Antworten.

LG Claudi
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Rasple die Süßholzwurzel so fein, dass es staubt, in den reichlich
Abgestandenen Quark; darüber verträufele Wermut,
Bis aus dem Rührwerk, Burps! endlich das Bäuerchen kommt.

Geändert von Claudi (06.12.2015 um 14:53 Uhr)
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