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Alt 28.02.2018, 15:53   #5
Felix
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Beiträge: 531
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Hallo Chavali,
hallo Xenia,

Eure Kommentare sind sachlich und sehr ernst zu nehmende Beiträge zum Thema Flüchtlingsproblematik. Bitte unterstellt mir keinen Realitätsverlust, sondern versucht, mein Anliegen zu verstehen.
Mir geht es um eine "Geraderücken" der polemisch eingefärbten Bedrohungsdimensionen, in denen z.B. das Heranrücken ganzer Großstadtbevölkerungen ins Abendland furchterregend an die Wand gemalt wird.
Deshalb auch mein unzulänglicher Zahlenvergleich: Ein geschundenes, zerstörtes Restdeutschland war (gezwungenermaßen) in der Lage, ca. 15 Millionen vertriebener Menschen aufzunehmen. Die meisten waren der deutschen Sprache mächtig und gehörten größtenteils auf dem Papier einer Religionsgemeinschaft an. Ich bin (als Kind) selbst unfreiwillig Flüchtling gewesen, wurde in der Schule wegen meines Dialektes verprügelt, musste, um eine Schule besuchen, katholisch getauft werden und habe zahlreiche Prügeleien innerhalb der Hausgemeinschaften, die z.T. aus Einheimischen, zum anderen aus Flüchtlingsfamilien bestanden, erleben (nur - da kümmerte sich keine Kriminalstatistik drum. "Pack schlägt sich - Pack verträgt sich" war die Parole.
Eigentlich, so sollte man glauben, wäre doch die Zugehörigkeit zur Christenheit eine gute Basis für ein Zusammenleben gewesen. In der Praxis sah das so aus: Die Stadt, in der ich damals lebte, hatte eine katholische Knaben- und eine katholische Mädchenschule. "Großzügig", wie Christen nun mal sind, hatte die Knabenschule zwei Klassenräume für die Flüchtlingskinder und die evangelischen Schüler/innen zur Verfügung gestellt (für alle acht Jahrgänge). Einer meiner Lehrer (für kurze Zeit) war einer der Mörder des KPD-Vorsitzenden Thälmann in Buchenwald.
Neben anderen Aufgaben war es für Carlo Schmid (ältere Leser/innen werden sich vielleicht erinnern), an der Formulierung des Grundgesetzes mitzuwirken und die Todesstrafe abzuschaffen. Ein bedeutender Angehöriger dieses Gremiums war der Regierungschef eines süddeutschen Landes, Mitglied der christlich-demokratischen Union (Verfechter der Todesstrafe und Richter, der die letzte Todesstrafe in Westdeutschland verhängte). Alles Friede und Eierkuchen damals?
Damit weiche ich nicht den heutigen Problemen aus. Wenn Du, liebe Xenia, sagst, dass eine Frau heute Angst haben muss, zu bestimmten Zeiten und an bestimmten Orten zu sein, nehme ich das sehr ernst!
Ich habe Mitte der siebziger Jahre in Wuppertal studiert (da war von Zuwan-derung und Flüchtlingsproblematik noch keine Rede). Kommilitoninnen, die in der Dunkelheit nach Hause mussten, waren immer sehr dankbar, wenn die männlichen Studenten sie wenigstens bis vor die Haustür brachten.
Ich wünschte mir, dass jede Frau angstfrei spazieren gehen darf, wann und wo auch immer sie will. Wie das zu erreichen ist? Man kann daraus ein moralisches oder ein pädagogisches, ein religiöses oder juristisches Problem machen. Ich kenne mindestens ein Land, in dem eine sichtbare Polizeipräsenz es gestattet, dass eine Frau auch morgens um halb drei unbeschadet nach Haue kommt. (Allerdings ist kein Polizist bereit, in diesem Land einen geringfügigen Blechschaden an einem Auto aufzunehmen. Da werden auch keine Hundertschaften eingesetzt, um (meist einheimische) Holigans von ihrem Treiben in Fußballstadien oder drum herum abzuhalten.
Mein jüngstes Erlebnis mit Ausländern: Drei ältere Damen eines von mir betreuten Objekts sprachen mich an: "Haben sie schon gehört - demnächst sollen hier paar "Schwatte" einziehen?" Nee, hatte ich nicht, wusste nur, dass eine Familie einziehen würde, die einen nicht deutsch klingenden Nachnamen hatten. Ich mit meinem sonnigen Gemüt: "Mir ist ein anständiger Schwarzer lieber als der Vorgänger des Nachbarhausmeisters." (Der - ein Deutscher - hatte eine ältere Dame eine Woche lang im Keller eingesperrt und mehrfach vergewaltigt. Und das auch noch in Köln im Schatten des Doms. Reaktion der älteren Damen: "Aber sonst war das doch ein lieber Kerl!" Nach ihrem Einzug stellte ich mich vor und traf auf ein Ehepaar mit zwei Kindern aus Indien. Sie sprach überhaupt kein Deutsch, er gebrochen, die Kinder schon recht ordentlich. Er: Hochbezahlter IT-Ingenieur, sie Hausfrau und schwanger, die Kinder bestens erzogen. Nach vier Wochen hatten sie reihum alle Nachbarn zum Essen eingeladen, mich selbst zu ihrer (christlichen) Weihnachtsfeier. Demnächst wird der Mann nach Holland versetzt und alle Nachbarn jammern.
Was ich möchte:
Bitte differenziert und ordnet die Dimensionen der Gefährdungen unaufgeregt und ohne auf die Parolen rechtslastiger Demagogen herein zu fallen richtig ein. Es gibt noch einiges zu tun, noch eine Menge, was die Sicherheit der Bürger und Bürgerinnen in diesem Land angeht - da sind wir uns völlig einig.
Aber schaut auch auf das unendliche Elend der Menschen, die zu uns flüchten, um nicht abgemurkst, von "christlichen" Bomben erschlagen werden.
Beste Grüße,
Felix
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