Thema: Slumdog
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Alt 24.08.2012, 20:50   #3
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi, Walther!

Danke für deine Gedanken! Die von dir aufgezählten Eigenschaften schätzte ich vor 25 oder mehr Jahren - heute tu ich mich da erheblich schwerer.
Es liegt auch daran, was ich heute als sprachlich schön empfinde: Avantgardistisch kann man leicht sein, indes, ob es dem Autor selber dann noch gefällt, steht auf einem anderen Blatt. Oder anders gesagt: Wie lange muss man behaupten, dass etwas Kunst ist, damit eine Mehrheit es tatsächlich glaubt? Wie lange hat es gedauert, bis beschränkte Talente den Hörern eingeredet hatten, dass die sog. "moderne Lyrik", die sie mangels Fähigkeit zu wahrer Sprachhabung als neue große Kunst propagierten, tatsächlich ein legitimer Nachfolger von Größen wie Rilke, Hesse, Goethe usw. sei?
Okay, es war ein wenig anders damals, aber so will es mir scheinen.
Ich schätze nun mal den Rilk'schen "way of lyric", die harmonische, zwingende, magische Schönheit der Sprache an sich in den Gedichten. Klar - zu solch sozialkritischen Themen passt dieser Stil irgendwie oft nicht. Auch deshalb mache ich wenig in dieser Richtung.
Klar, ich könnte schreien, toben, wüten, mich auskotzen, bis dem Leser die Ohren bluten und das Herz, ich könnte mit Gefühlen spielen, sie auf die Spitze treiben, Meinungen schaffen oder manipulieren.
Aber - all das wäre nicht mehr: Ich!
So schreibe ein jeder, wie er kann und möchte. Vor 30 Jahren hätte dein Aufruf mich vielleicht bis wahrscheinlich angespornt und verlockt. Heute bleibe ich lieber "guter Handwerker" und bescheide mich damit. Weil mir eben die Sprache selbst immer wichtiger sein wird als jede damit getroffene Aussage oder vermittelte Botschaft.
Wenn ich Rilke lese, weine ich allein der Sprache wegen. Kein noch so sozialkritisch motiviertes Gedicht - und sei es noch so gut - hat das je geschafft (außer Rilke's Panther, als ich 12 war, und das bezieht sich eigentlich nicht auf zwischenmenschliche Missstände). Darum geht es mir.

LG, eKy

PS: In dem Gedicht versuchte ich mich so auszudrücken, wie es ein solches Opfer vielleicht eher erzählen würde - deshalb die simple Sprache an manchen Stellen.
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Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
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Geändert von Erich Kykal (24.08.2012 um 20:53 Uhr)
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