Thema: Alte Schuld
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Alt 15.11.2015, 01:24   #1
Lailany
Kiwifrüchtchen
 
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Standard Alte Schuld

Alte Schuld

Das Tor zum Garten Eden ist verschlossen,
die Dunkelheit erstickt den letzten Laut,
zu Markt getragen ist die dünne Haut
des Gesternlands, wo Milch und Honig flossen.
Der schwere Regen schlägt an blinde Scheiben.
Erinnerungen schwelen in der Glut,
in Haus und Hofe nistet Teufelsbrut,
Dämonen scharen sich zum Kesseltreiben.
In leeren Räumen tummeln sich die Ratten,
ein Blutmond taucht das Land in tiefe Schatten,
wo in Alleinherrschaft der Tod regiert.
... ... ....

An morschen Balken nagt der Zahn der Zeit.
Die alte Turmuhr schlägt Vergangenheit.

Einst blühte hier die Hochburg guten Lebens,
mit frohen Stimmen, Lachen, Sonnenschein,
die Tafeln reich gedeckt mit Brot und Wein,
im Überschwang des Nehmens und des Gebens.
Fortuna zählte zu den Dauergästen,
Gott Amor hatte sich ihr zugesellt
und jeden Tag in seine Gunst gestellt.

An diesem Ort, wo Milch und Honig flossen,
trat vor den Traualtar ein schönes Paar
und schloss den Bund, dem schon nach einem Jahr
ein Erbe, ein gesunder Sohn entsprossen.
... ... ...

Vor allzu forschen Augen gut verhüllt
lag alte Schuld und moderte verborgen,
darüber wuchs das Gras mit jedem Morgen.
Die Scheuern blieben bis zum Dach gefüllt.
... ... ...

Aus schnöder Raffsucht wurde er zum Täter,
wie schon Jahrzehnte vor ihm seine Väter,
die andrer Leid zu ihrem Nutzen schürten.
Sie gaben kärglich Geld für Ländereien,
denn Menschlichkeit ist satten Schächern fremd.
Sie pfändeten der Armen letztes Hemd,
bar aller Skrupel, Würde zu entweihen.

Doch eines Tags erhob ein Greis die Stimme,
auf taube Ohren fiel das Bittgesuch -
sein Blut versickerte im Ackerrain.
Der Schütze war vertraut mit Korn und Kimme.
Er floh - doch traf ihn noch des Alten Fluch:
"Der Teufel hole dich und das, was dein...."
... ... ...

Ein Sturm kam auf und schwerer Hagel schlug
in reifes Korn, von reger Hand bestellt
und ohne Ernte blieb so manches Feld,
verfault die kargen Früchte, die es trug.
Die Dunkelheit verschlang den letzten Laut,
als ob sie eine Seiner grauen Boten,
von Ihm gesandt, die Tiefen auszuloten.
Bevor der erste Eiskristall getaut,
war allem Unheils Samen ausgesät,
dem Wuchs zu wehren, war es schon zu spät.
Der schwarze Herrscher hatte jetzt das Sagen.

Ein Spinnenheer begann, Kokons zu weben,
befiel die Ährenfelder, Früchte, Reben
der Väter Land, von Söhnen stolz bebaut.
Die Erde bebte, barst der Spiegel Glas,
das Glück der guten Jahre lag in Scherben.
Es wuchs der Argwohn, Lügen schlugen Kerben,
am Herzblut trank und nährte sich der Hass.
Die Eifersucht kroch unter Kissen, Decken,
besetzte ungehindert jeden Raum,
spann Ränke, die sich flink zu Fallen schlossen.
Erinnerungen hockten in den Ecken,
verknüpften Fäden aus vergilbtem Traum
vom Gesternland, wo Milch und Honig flossen.

Von fern begleitete ein Glockenläuten
des fahlen Himmels wildes Wolkentreiben
und schwerer Regen schlug an blinde Scheiben.
Durch morsche Fensterrahmen blies der Wind.
In Fieberschüben wälzte sich das Kind.
Sein Vater suchte Hilfe bei den Leuten,
verzweifelt bot er Habe, Geld und Gold,
beschwor die Götter, die ihm einstmals hold,
sie mögen Gnade ihm vor Recht gewähren,
er würde jeden Preis mit Freuden tragen.
Doch ungehört verhallten seine Klagen.
Erinnerungen schwelen in der Glut.

Aus ihrem Grab erhoben sich die Geister
und pochten auf ein unverjährtes Recht,
beauftragt, alte Pfründe einzutreiben.

Die Wiedergänger folgten ihrem Meister,
an seiner Stärke wuchs der schwächste Knecht
und ungehindert mehrte sich die Brut,
Dämonenpack entstieg der Höllenglut,
verbreitete Gestank und Dekadenz
von Kellerschächten bis zum Dachgestühle.
Kein Fünkchen Licht durchdrang die Moderkühle
im Schattenreich der dunklen Eminenz.

Ein alter Fluch rief sie, Gericht zu halten,
wo Mörder nie für ihre Zeche zahlten
beginnt die Seelenerntezeit.

... ... ...

Das Tor zum Garten Eden ist verschlossen.
Die Dunkelheit erstickt den letzten Laut,
zu Markt gentragen ist die dünne Haut
im Gesternland, wo Milch und Honig flossen.
Der schwere Regen schlägt an blinde Scheiben.
Erinnerungen schwelen in der Glut.
In jeder Nische nistet Teufelsbrut.

Dämonen scharen sich zum Kesseltreiben
im Domizil der Unterwelt, dem Reich der Ratten.
Ein Blutmond wirft bizarre Schatten
auf diesen Ort, an dem Verfall und Tod regiert.
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"Manchmal ist es so demütigend, ein Mensch sein zu müssen..." Erich Kykal

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