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Alt 21.10.2019, 23:43   #2
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi Hans!

Ich lehne mich jetzt mal aus dem Fenster mit meiner Auslegung. Sollte ich mich irren, bitte ich schon mal vorweg um Verzeihung - indes, die Zeichen scheinen mir klar:


Ach ja - das klassische Märchen: die holde unschuldige blonde (arische?) Christenmaid in Nöten und die bösen geifernden islamischen Wölfe mit ihren langen Bärten! Die tierhaften Horden primitiver Krimineller ...

Wie komm ich da nur drauf??? Kann's vielleicht sein, weil Schafe das Sinnbild der vom guten Hirten (oder Hund) beschützten braven Gemeinde sind? Bekanntes Bibelgleichnis ...
Oder vielleicht die Anspielung auf die langen Bärte, wie sie bei Muslimen üblich sind (wie ich übrigens selbst einen habe - macht mich das jetzt auch zur Bestie!?), die man an echten Wölfen aber eher selten bemerkt - tja, wenn ich so drüber nachdenke, eigentlich nie ...

Übrigens noch so ein Vorurteil: "der böse Wolf" - verteufelt, gejagt, ausgerottet - und immer noch müssen sie als Sinnbild für schlechte menschliche Eigenschaften herhalten, die armen Tiere!

Fazit: dieses Werk erscheint mir vereinfachend und verallgemeinernd.
Es müsste klarer spezifiziert werden, gegen welche Ausprägung des Islam man schreibt, welche Aspekte einer fremden Kultur genau so beängstigend sind. Man müsste klar ausweisen, dass es sich um Einzeltäter handelt oder kleine Gruppen, nie um ALLE, die irgendwie fremd wirken. Das alles findet hier nicht statt, es wird nur ein schwammiges Schwarz-Weiß-Bild gezeichnet: Rasiertes, schafbraves Abendland: gut und blond - bärtiges, wölfisches Morgenland: böse und bestialisch!

So simpel ist es aber nie!

Gerade die Form der Fabel ist da recht manipulativ, erscheinen die Anwürfe darin doch quasi wie "in Verkleidung", so hintenrum irgendwie, als läge zwangsweise eine "versteckte Wahrheit" im Gesagten. Welche soll das hier sein? Erschlagt alle Bärtigen, die mit Handtuch um den Kopf rumlaufen? Schießt auf alles, was ihr nicht versteht und was, wie jeder weiß, eh nur unsere Frauen vergewaltigen will?
DU magst es vielleicht nicht so gemeint haben - aber manch ein Leser wird es so verstehen wollen und fühlt sich in seinem Hass bestätigt. Vielleicht irgendwo wieder mal einer, der blind vor einer Moschee um sich schießt, weil er sich lang genug eingeredet hat, dass er nur so etwas ändern könne: blindwütig dreinhauend.
Was würdest du machen, wenn nächste Woche so ein Irrer nach seiner Bluttat sagen würde: Ich wollte es schon lang tun, aber das Gedicht von diesem Herrn Beislschmidt hat mich so inspiriert, dass ich endlich den Mut zur Tat fand! Welch leuchtendes Vorbild für unsere Sache! Unwahrscheinlich, ich weiß - aber solche Gedanken sollte man sich immer VOR dem Schreiben machen, wenn es um verallgemeinernde Vorurteile geht.

Nicht, dass ich ein Fan der Imame wäre, schon gar nicht jener, die Hass predigen und sich für etwas Besseres halten, mit dem Recht, alles niederzumachen, was nicht so fanatisch ist wie sie - aber ich halte dies für den lyrisch falschen Weg, wirft er doch undifferenzierend ALLE Muslime in einen Topf und schürt Angst auf eine ganze Volksgemeinschaft.
Die Geschichte sollte uns mittlerweile gelehrt haben, dass die meisten dabei unschuldig sind, oder selbst Unterdrückte weniger Wichtigtuer sind, die sich in der eigenen Macht und eingebildeten Sendung suhlen.
(Meine eigenen Gedichte wider den menschlichen Wahnsinn verdammen entweder ALLE Religionen (oder politischen Entsprechungen) gleichmaßen, oder sie beschreiben Einzeltäter oder bestimmte fanatische Gruppen, die es wirklich verdient haben, auf den Deckel zu bekommen.)



Einerseits - andererseits, könnte man einwenden, gibt es wirklich jene, die unsere Gesellschaftsordnung aushebeln und ersetzen wollen!

Sicher auch fanatische Muslime, aber auch Neonazis - und extreme Linke, die klassischen Anarchisten, Scientology, Zeugen Jehovas, usw - alle möglichen verstiegenen, verschrobenen Spinner, einzeln oder in verschworenen illustren elitären Klüngeln, in denen sie sich den "Normalsterblichen" enthoben glauben - endlich mit Bedeutung und Ziel versehen, gerettet aus einem talentlosen "normalen" Dasein!

Aber glaub mir, das BGB wird seit vielen Jahrzehnten damit fertig!

Daher: Nicht so gern gelesen.

eKy



PS: Bitte denk nicht, diese Kritik wäre so eine Art "Rache" wegen unserer kleinen Verstimmung kürzlich. Ich bin vielmehr wirklich erschüttert über diese "Fabel" so voller ätzendem Gift.
Es erscheint mir so, als wolle dein Werk alle "Bartträger" zu "Wölfen" machen und schösse sie dann mit einem verbalen Maschinengewehr von hinten nieder, nur um die paar echten Arschlöcher unter ihnen zu erwischen (oder wolle dafür sorgen, dass es viele andere machen, mit echten MGs).
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Geändert von Erich Kykal (22.10.2019 um 00:22 Uhr)
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