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Alt 09.12.2019, 19:19   #3
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi WW, Chavi!

Die "neue Armut", die Schere von Arm und Reich - Folgen des amerikanischen Brutalkapitalismus, seiner Börsengläubigkeit und des damit einhergehenden moralischen Verfalls der Besitzenden (waren die nicht immer schon ausbeuterisch, grausam und unmoralisch?).
Und was passiert dann? Man sucht einen Schuldigen! Gegen die Amis kann man nichts machen, und ohne Kapitalismus ginge es uns viel schlechter - also muss ein leichter Feind her, der sich seit jeher bietet: Fremde, Andersgläubige, (immer noch Juden für manche, kann man es glauben!?) eine unbekannte Größe, die man immer schon verdächtig fand, und die man mit etwas Verallgemeinerung pauschal verdammen kann.
Oder man haut auf die Demokratie und sehnt sich wieder nach einem "neuen Führer", der "alles in Ordnung bringt" und "für klare Verhältnisse sorgt"! Wie gefährlich solch undurchdachte romantisierende Vorstellungen sind, bloß um unausgegorene Ängste oder soziale Ungerechtigkeiten zu bewältigen, ist den meisten leider nicht klar, die den neuen Demagogen nachrennen, weil diese einfache Lösungen und klare Schuldige für die Misere anbieten.
Und dann gibt es noch jene, die tatsächlich zu glauben scheinen, jene Täter, die sie wählen, würden demokratisch, fair und gerecht mit ihrer Macht umgehen, wenn sie sie dank dieser Wähler erringen, weil sie das halt so behauptet haben in ihren Reden. Sie wollen dem System "einen Denkzettel verpassen", weil sie keine anderen Wege sehen, ihrem Unmut Geltung zu verschaffen. Ist das klug?
Und all das, bloß weil man die Bettler, Müllwühler und Lumpengestalten nicht mehr sehen will. Dabei verdanken wir erst der Demokratie all die sozialen Reformen, die Meinungsfreiheit, die flächendeckende medizinische Versorgung usw seit der industriellen Revolution!
Wir haben in den letzten Jahrzehnten träge zugesehen, wie Gewinnler und Soziopathen dieses System unterwandert haben, und jetzt, wo es nicht mehr richtig funktioniert, versuchen wir da, es zu reparieren? Nein, wir schwächen es weiter, indem wir Extremisten nachlaufen, sie wählen und stärken, weil man lieber dem Blödsinn glaubt, den sie erzählen, als jenen, die eine vernünftige Lösung suchen.
Wir reißen unser Haus ein, um ein Mäuseproblem zu bewältigen - ist das intelligent?
Und wir tun es nicht mal selbst - wir laden die Abreißer ein, es für uns zu machen! So wie wir seit langem alles immer von anderen machen lassen - das Abendprogramm im TV ist seit langem wichtiger als eigenes Engagement, so zumindest waren wir es gewöhnt ...
Zu alledem kommt eine erschreckende Verrohung der Sitten, ein eklatanter Verfall der Gesprächskultur, weil man nur noch die eigenen Argumente gelten lassen will. Da wird nur noch niedergeschrien, beschimpft, verleumdet - das Internet ist ein Spiegel unseres Umgangs miteinander, bringt er doch dank Anonymität die wahre Natur so vieler Menschen zum Vorschein.
Extremismus wird wieder "schick", wie es scheint. Pauschalisierende Vorurteile und Lügen - und was tun die "politisch Korrekten"? Sie können sie nicht mal mehr beim Namen nennen - da heißen sie nun "alternative facts", so als dürften sie im Rahmen ihrer Unmenschlichkeit auch irgendwie wahr sein, bloß weil man niemandem auf die Zehen treten will ...
Nein, ich sehe schwarz für die deutsche Zukunft. Die Hetzer werden weiter erstarken, alle Opposition niederbrüllen, einschüchtern und letztlich "endlösen". War alles schon mal da ...
Der Wahnsinn wird wieder umgehen, und die Grausamen und Harten werden offen herrschen, von keinen demokratischen Regulativen mehr eingeschränkt oder behindert.
Und jene, die sie einst blauäugig und naiv wählten, werden sich irgendwann fragen müssen, mit wieviel Mitschuld sie leben können. Und leugnen, je dabei gewesen zu sein ...

Ich weiß, ich weiß - solche Ansichten wie meine sind zur Zeit nicht "populär", weil nicht populistisch. Ich verkaufe keinen Wachturm oder den Koran an Straßenecken, gehe nicht mit Springersatiefelträgern demonstrieren, um wider alle Mitmenschlichkeit anzubrüllen, und verkaufe meine Stimme weder an Demagogen noch an korrupte Politiker.
Ich schreibe nur ab und zu Gedichte, die meine Meinungen und Ängste spiegeln. Aber das ist wohl für manche schon zuviel ...


Sorry, da habe ich mich recht weit davontragen lassen für ein Gedicht, das einfach nur die zunehmende soziale Ungerechtigkeit anprangern will.

LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (10.12.2019 um 08:32 Uhr)
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