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Alt 24.03.2012, 17:11   #1
Thomas
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Standard Kunst und Staat: Rolle und notwendiger Anspruch der schönen Kunst

Kunst und Staat: Rolle und notwendiger Anspruch der schönen Kunst


Aus der Autobiographie von Friedrich Wilhelm von Hoven
Ludwigsburg 1793/1794

Von dem französischen Freiheitswesen, für welches ich mich so sehr interessierte, war Schiller kein Freund. Die schönen Aussichten in eine glücklichere Zukunft fand er nicht. Er hielt die Französische Revolution lediglich für die natürliche Folge der schlechten französischen Regierung, der Üppigkeit des Hofes und der Großen, der Demoralisation des französischen Volks, und für das Werk unzufriedener, ehrgeiziger und leidenschaftlicher Menschen, welche die Lage der Dinge zur Erreichung ihrer egoistischen Zwecke benutzten, nicht für ein Werk der Weisheit. Er gab zwar zu, dass viele wahre und große Ideen, welche sich zuvor nur in Büchern und in den Köpfen hell denkender Menschen befunden, zur öffentlichen Sprache gekommen; aber um eine wahrhaft beglückende Verfassung einzuführen, sei das bei weitem nicht genug. Erstlich seine die Prinzipien selbst, die einer solchen Verfassung zu Grunde gelegt werden müssen, noch keineswegs hinlänglich entwickelt, und zweitens, was die Hauptsache sei, müsse auch das Volk für eine solche Verfassung reif sein, und dazu fehle noch sehr viel, ja alles. Daher sei er fest überzeugt, die Französische Republik werde ebenso schnell wieder aufhören, als sie entstanden sein, die republikanische Verfassung werde früher oder später in Anarchie übergehen, und das einzige Heil der Nation werde sein, dass ein kräftiger Mann erscheine, er möge herkommen, woher er wolle, der den Sturm beschwöre, wieder Ordnung einführe, und den Zügel der Regierung fest in der Hand halte, auch wenn er sich zum unumschränkten Herrn nicht nur von Frankreich, sondern auch von einem Teil von dem übrigen Europa machten sollte.



Friedrich Schiller an Prinz Friedrich Christian von Augustenburg
Jena den 13. Juli 1793


Besonders aber ist es jetzt das politische Schöpfungswerk, was beinahe alle Geister beschäftigt wo das große Schicksal der Menschheit zur Frage gebracht ist. Was könnte also wohl anziehender und interessanter für mich sein, als mich in das Innerste dieses großen Gegenstandes einzulassen? Dass ich eine Materie in Vorschlag bringe, die von dem Lieblingsgespräch des Zeitalters so sehr entlegen ist, geschieht nicht aus überwiegender Neigung für die Kunst.

Wäre das Faktum wahr - wäre der außerordentliche Fall wirklich eingetreten, daß die politische Gesetzgebung der Vernunft übertragen und wahre Freiheit zur Grundlage des Staatsgebäudes gemacht worden, so wollte ich auf ewig von den Musen Abschied nehmen und dem herrlichsten Kunstwerke, der Monarchie der Vernunft, alle meine Tätigkeit widmen. Aber dieses Faktum ist es eben, was ich zu bezweifeln wage.


Der Versuch des französischen Volks, sich in seine heiligen Menschenrechte einzusetzen und eine politische Freiheit zu erringen, hat bloß das Unvermögen und die Unwürdigkeit desselben an den Tag gebracht. Der Moment war günstig, aber er fand eine verderbte Generation. Der Gebrauch, den sie von diesem großen Geschenk des Zufalls macht und gemacht hat, beweist unwidersprechlich, dass derjenige noch nicht reif ist zur bürgerlichen Freiheit, dem noch so vieles zur menschlichen fehlt.

Nur der Charakter der Bürger erschafft und erhält den Staat und macht... Freiheit möglich. Denn wenn die Weisheit selbst in Person von Olymp herabstiege und die vollkommenste Verfassung einführte, so musste sie ja doch Menschen die Ausführung übergeben...

Wenn ich meine Meinung sagen darf. so gestehe ich, dass ich jeden Versuch einer Staatsverfassung aus Prinzipien so lange für unzeitig und jede darauf gegründete Hoffnung für schwärmerisch halte, bis der Charakter der Menschheit von seinem tiefen Verfall wieder emporgehoben worden ist... Man wird zwar unterdessen von mancher glücklichen Reform im einzelnen hören, aber was hier zehn große Menschen aufbauten, werden dort fünfzig Schwachköpfe wieder niederreißen.




Friedrich Schiller: Über die ästhetische Erziehung des Menschen.

Alle Verbesserung im Politischen soll von Veredlung des Charakters ausgehen – aber wie kann sich unter den Einflüssen einer barbarischen Staatsverfassung der Charakter veredeln? Man müsste also zu diesem Zwecke ein Werkzeug aufsuchen, welches der Staat nicht hergibt, und Quellen dazu eröffnen, die sich bei aller politischen Verderbnis rein und lauter erhalten. Dieses Werkzeug ist die schöne Kunst.

Gib also. der Welt, auf die du wirkst, die Richtung zum Guten, so wird der ruhige Rhythmus der Zeit die Entwicklung bringen. Diese Richtung hast du ihr gegeben, wenn du, lehrend, ihre Gedanken zum Notwendigen und Ewigen erhebst, wenn du, handelnd oder bildend, das Notwendige und Ewige in einen Gegenstand ihrer Triebe verwandelst. Fallen wird das Gebäude des Wahns und der Willkürlichkeit, fallen muss es, es ist schon gefallen, sobald du gewiss bist, dass es sich neigt, aber in dem Innern, nicht bloß in dem äußern Menschen muss es sich neigen.

(Die Texte sind von mir gekürzt)
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