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Alt 12.04.2012, 08:48   #37
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Registriert seit: 07.02.2009
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Servus Erich,

dann schauen wir uns die Pallas Athene einmal näher an:

Wie Überirdisches verwischt dein Auge
die Welt der Menschen, Göttin. Hohe Frau,
du schaust durch uns, als wüsstest du genau,
was jeder, der dir naht, in Wahrheit tauge.


Ja, das könnte man so empfinden. Eine gewisse Arroganz ist dem Ausdruck dieser Dame auf jeden Fall zu entnehmen.
Es scheint tatsächlich so, als stehe sie über den weltlichen Dingen.

Du bist Metall aus einer reinern Esse
als alles, was dir huldigt und dich hegt,
und nichts als dies: Für immer unbewegt,
auf dass Bewegliches dich nie vergesse.


Pallas Athene steht dort in voller Rüstung, jedoch ist durchaus zu erkennen, daß ein Wesen aus Fleisch und Blut darin steckt.
Ihre rechte Hand, die eine nackte Frau trägt, ihr linker Arm, samt Hand, der den Speer festhält und die Teile ihres Gesichtes und des Halses, die nicht durch den Helm bedeckt sind sowie ihre Haare, die darunter hervorschauen, lassen mich ein wenig mit der Aussage "Du bist Metall..." hadern.
Warum also nicht: "Du trägst Metall..." ?
Es ist eindeutig sichtbar, daß das Metall nur den Körper bedeckt.
Zwar ist die beschriebene Starre vorhanden, so wirkt das Bild tatsächlich, doch m. E. ist sie eindeutig nicht aus Metall.
Ich könnte das vielleicht akzeptieren, wenn eine Formulierung "wie aus Metall" gekommen wäre.

Wer bin ich, du unendliches Gesicht,
vor dir als das Fragment nur eines Ganzen?
Und wüsste ich um deine Gnade nicht,

ich müsste schauern vor dem ernsten Munde,
auf dem vielleicht zu unbelauschter Stunde
der Menschen Träume wie ein Lächeln tanzen.


Die Conclusio ist natürlich sehr schön und vor allem sehr lyrisch, ich will da auch nichts bekritteln, jedoch zeigt sich hier die individuelle Subjektivität, da ich ihren eher unbedeutenden Mund nicht unbedingt als das charakteristische Merkmal ihres Gesichtsausdruck empfinde, sondern eher die sehr großen und tiefliegenden Augen, die m. E. das Bild beherrschen und den Blick auf sich ziehen, so daß ihre kleinen und schmalen Lippen in den Hintergrund rücken.
Wenn man als Betrachter ein wenig die Augen zusammenkneift und zwischen den fast geschlossenen Liedern dieses Bild auf sich wirken lässt, dann erinnert ihr Kopf sogar an einen Totenschädel mit großen Augenhöhlen.

Trotz meiner Anmerkungen, denn ich bin mir auch meiner eigenen Subjektivität bewusst, gefällt mir der Text und ich finde die Schlusszeile wunderschön, auch wenn sie (m. E.) einen Nebenschauplatz beschreibt.


Gerne gelesen und kommentiert...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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