Thema: Kritikus
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Alt 12.06.2009, 07:21   #9
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Registriert seit: 07.02.2009
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Hi cypi,

ich glaube, dieses Problem gab es schon zu allen Zeiten.
Ich meine, Kritik ist wichtig und gut, sich jedoch stets in der eigenen Kritik zu suhlen und zu zeigen, wie gut man doch ist, verrät einiges über die Motivation desjenigen welchen, der es nur darauf anlegt, seine Größe unter Beweis zu stellen.
Ich nenne das Minderwertigkeitskomplex...

Aber wie gesagt, das Problem ist nicht neu.

Was schrieb Meister Goethe dazu?

Rezensent

Da hatt ich einen Kerl zu Gast,
er war mir eben nicht zur Last;
ich hatt just mein gewöhnlich Essen,
hat sich der Kerl pumpsatt gefressen,
zum Nachtisch, was ich gespeichert hatt.
Und kaum ist mir der Kerl so satt,
tut ihn der Teufel zum Nachbarn führen,
über mein Essen zu räsonieren:
"Die Supp hätt können gewürzter sein,
der Braten brauner, firner der Wein."
Der Tausendsackerment!
Schlagt ihn tot, den Hund! Er ist ein Rezensent.

(Johann Wolfgang von Goethe)



Man könnte es auch so formulieren:

Der Kritikus

Auch heute rasseln laute Schnäbel
noch gerne mit dem stumpfen Säbel.
Denn Weisheit mit dem Löffel fressen,
scheint heutzutage hochmodern,
doch wer sie niemals hat besessen,
den hatte sie auch niemals gern.
Man liest es oft an vielen Orten,
in stets denselben müden Worten:
"Das hab ich alles schon gelesen,
und dies ist zigfach da gewesen,
die Wiederholung stört mich sehr,
wie kitschig, nein!" Und noch viel mehr.
Auch ödet schon der schnöde Seim,
das sei kein or'gineller Reim,
da er im Paarreim nur geschrieben,
den Autor höchstens nur noch an,
zumindest den, der schreiben kann.
Was ist dem Kritikus geblieben?
Ach ja, wenn dann die Emotionen,
die diesen Werken innewohnen,
Beherrschen Fragen des Geschmacks,
ist das doch eigentlich ein Klacks,
denn Menschen lernten schon beizeiten,
darüber kann man sich nicht streiten.
Ja wär' der Schnabel Kritikus
ein wirklich wahrer Pfiffikus,
dann würde er ganz schnell verstehen,
wie sehr wir uns im Kreise drehen,
denn ob es ankommt, das Gedicht,
bestimmst der liebe Vogel, nicht.
Wie oben schon Herr Goethe schrieb,
ich hab sie alle furchtbar lieb.

(Falderwald)


Wie gesagt, konstruktive Kritik ist gut und wichtig, alles andere ist dumme Wichtigtuerei und scheinbar überlegenes Gehabe. Denn mit ein wenig Geschick und guter Rhetorik kann jeder Text niedergemacht und in den Boden gestampft werden.


Gerne gelesen, geschmunzelt, erweitert und besenft...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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