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Alt 24.10.2009, 08:16   #49
a.c.larin
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Wohl dem , der ein Zuhause hat....

Damals war für mich die Sache klar: Nie wieder wollte ich in die Hände der Menschen geraten! Ich hielt mich geraume Zeit nur am Rande ihrer Siedlungen auf und bewohnte vor allem die angrenzenden Felder und Hecken. Da Hochsommer war, gab es wettermäßig auch kaum etwas dagegen einzuwenden. Die gegegentlichen Regenschauer waren eine willkommene Abkühlung von der täglichen Hitze, bei starkem Gewitter verkroch ich mich irgendwo unter einem Holzstoß oder hinter einem Schuppen - alles in Allem also kein schlechtes Leben für einen jungen Kater im Vollbesitz seiner Jungkaterkräfte! Futter fand ich genug, denn ich war ein geschickter Jäger und in den Feldern tummelten sich die Mäuse. Hin und wieder erwischte ich auch einen Vogel, aber zumeist waren es nur ganz junge, die das Fliegen noch nicht so richtig erlernt hatten. Mussten sie dann auch nicht mehr. Die Mühe nahm ich ihnen ab.....

Ich hatte damals auch eine Freundin, Halbangora mit schönem, seidigen Fell.
Sie hieß Amelie und wohnte in einem der Siedlungshäuser ganz in der Nähe.
Amelie liebte die Mäusejagd genau so wie ich. Es war ihren Besitzern zwar nicht ganz recht, dass sie sich mit mir in den Feldern herumtrieb, doch irgendwie schaffte sie es immer, sich für einen kleinen Ausflug freizumachen.
Wir wurden bald auch ein Liebespaar!

Ach, diese süße, seidige Amelie!
Nie werde ich ihr honigfarbenes, weiches Fell vergessen......
Doch als der Sommer vorüber ging und die ersten Herbststürme übers Land wehten, blieb Amelie immer öfter aus und ich wartete vergeblich an unserem gewohnten Treffpunkt auf sie.
Es war wohl so, dass die Menschen sie in ihrer Wohnhöhle eingeschlossen hatten, um sie von mir fernzuhalten. Mrruau! Ich wusste doch, warum ich diesen Typen nicht traute. Dennoch trieb ich mich mittlerweile häufiger auch in ihren Siedlungen umher, denn die Mäuse auf den Feldern waren spärlicher geworden, die Vögel vorsichtiger und mein Appetit immer beträchtlicher. Irgendwie ahnte ich wohl schon das Hernannahen des kommenden Winters.
Die Nächte waren bedeutend frischer und die Gewitter auch heftiger geworden. An manchen Tagen blies ein stürmischer Wind durch mein Fell und ließ mich wirklich frieren. Deshalb war es hoch an der Zeit, einen warmen Unterstand zu finden - aber wo, bitte, sollte der sein...?

Eines Tages kam ich an einem sehr kleinen, schon ein wenig baufällig wirkenden Häuschen vorbei. Straßenseitig hingen ein paar Blumenkästen vor den Fenstern und eine grüne Holzbank stand da, auf der oft eine Zeitung lag.
An der Hinterfront hatte das Häuschen einen schmalen, langgezogenen Garten, in dem allerhand Grünzeug in sehr ordentlichen Reihen angepflanzt war. Tagsüber hoppelten zwei Häschen durch all die Beete - sie hätten leicht auch in die angrenzenden Felder entwischen können, doch das taten sie nie.
Das interessierte mich. Tiere, die freiwillig bei Menschen blieben, obwohl sie hätten fliehen können? Vielleicht war ja hier doch ein einigermaßen angenehmer Ort, um zu überleben, zumindest für einen Winter....
Ich begann also, das kleine Häuschen zu beobachten.

Wie sich sehr bald herausstellte, wohnte darin nur eine alte Frau. Sie konnte wohl nur noch schlecht sehen, schien aber feine Ohren zu haben, denn sie drehte immer den Kopf nach allen Seiten, wenn ich leise an ihr vorüber durch den Hof huschte. Folgen konnte sie mir nicht, denn sie kam selber nur mühsam voran und hatte einen Stock, auf den sie sich dabei stützen musste.
Doch sobald sie aus dem Haus in den Hof trat, witterten die Häschen und hoppelten freudig auf sie zu. Irgendetwas bekamen sie dann wohl immer zu fressen. Danach trug sie die alte Frau zu kleinen Holzbehältern, in denen sie sie über Nacht einschloss. Am Morgen ließ sie ihre Tiere wieder frei.
Ich verfolgte das Geschehen mehrerer Tage lang, bis ich mir sicher war, dass von dieser Frau wirklich keine Gefahr für mich ausging. Schließlich wagte ich mich hinter einer Mülltonne hervor, als sie gerade auf der Bank vor ihrem Haus saß. Ich mauzte ein wenig und wartete, was nun passieren würde.
Doch sie schien mich gar nicht bemerkt zu haben, saß nur weiter ganz stumm auf der Bank und murmelte etwas vor sich hin. Dann stand sie langsam auf und ging ins Haus hinein. Die Tür ließ sie aber offen.
Nanu? Neugierig geworden kam ich ein paar Schritte näher und guckte in den Flur hinein. Wo war sie nur geblieben? Es dauerte jedoch nicht allzu lange, da hörte ich schon ihre schlurfenden Schritte wiederkommen. Sofort zog ich mich hinter die Mülltonne zurück.
"Mauzi,Mauzi, Mauzi!" hörte ich sie rufen. Sie trug ein kleines Schälchen mit einer weißen Flüssigkeit in der Hand, das sie unter der kleinen Bank abstellte.
"Mauzi, mauzi, mauzi!" rief sie noch ein zweites Mal. Dann machte sie wieder kehrt und ging zurück ins Haus. Diesmal schloss sie die Tür.
Ich wartete erneut, doch sie kam nicht wieder.
Hatte sie mit "Mauzi, Mauzi! " etwa mich gemeint?
Vorsichtig schlich ich mich näher. Die weiße Flüssigkeit hatte eine angenehmen Geruch. Ich erinnerte mich, dass ich früher mal etwas Ähnliches getrunken hatte.
Auf diese Weise kam ich zu meinem ersten Schälchen Milch nach langer Zeit.
Und es sollten noch viel weitere folgen....


Wird fortgesetzt!
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Cogito dichto sum - ich dichte, also bin ich!

Geändert von a.c.larin (24.10.2009 um 11:56 Uhr)
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