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Alt 28.12.2009, 14:28   #70
a.c.larin
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Ein schöne Bescherung , Teil III

Ich finde, Feuer sollte da bleiben, wo es hingehört: Im Feuerloch!
Als Frauchen aus dem Bauch zu qualmen begann, fand ichs schon gleich verdächtig. Und nun stand ein ganzer Baum in Flammen! Also, eigentlich nicht der Baum selbst, sondern diese weißen, schmalen Stöckchen daran, doch in mir weckte das wieder eine Reihe unangenehmer Erinnerungen und ich begann sofort, widerwillig zu murren.
Camillo hingegen schien fasziniert zu sein. Er zischte zwischen den Beinen der Mensch hindurch und konnte zunächst gar nicht nahe genug dran sein.
Bei einem der unteren Zweige versuchte er gleich sein Glück und tapste sie mit der Pfote an. Im selben Moment als der Zweig sich nach unten bog, tropfte ihm auch schon ein wenig heiße Stöckchenflüssigkeit auf die Vorderpfote. Camillo schlug fast einen Purzelbaum rückwärts und blieb verdutzt etwas weiter hinten sitzen. Selber Schuld, kein Mitleid, dachte ich. Hätt ich dir gleich sagen können, dass mit diesen Feuerstöckchen nicht zu spaßen ist!
In der Zwischenzeit hatten die Menschen Aufstellung rund um den Baum genommen und begannen, laut ein Lied zu singen. Es hieß „Stille Nacht“.
Irgendwie kam mir ja der Baum bekannt vor. War das nicht der, den Herrchen vor einiger Zeit heimlich in den Keller getragen hatte…..?
Damals war er mir entschieden sympathischer gewesen. Nun ging Herrchen auch noch hin und entzündete mit einem anderen Feuerhölzchen dunkle, lange Stäbe, die sofort Blitze ins Zimmer schleuderten. Wahnsinn!
Ich versteckte mich sofort unter dem Wohnzimmertisch und beobachtete misstrauisch alles Weitere.
Wenn mir da bloß kein Funke ein Loch in den Pelz brannte!
Niemand schien aber meine Ängste und Sorgen zu teilen, ja Nina und Tommy quietschten sogar vor Vergnügen. Vielleicht hatten sie ja wieder mal vor, einen neuen Wohnzimmerteppich aufzulegen und dachten daran, den alten abzufackeln? Mein Unbehagen stieg von Minute zu Minute, doch schließlich kam mein Rudel zur Vernunft und löschte die Brandstellen.
„Darf ich meinen Engel auch auf den Baum hängen?“ bettelte Nina.
„Klar doch, “ antwortet Herrchen und suchte einen imposanten Platz für den Geflügelten, irgendwo im oberen Drittel des Baumes. Dort hing er nun, funkelte und glitzerte und drehte sich langsam unter dem Zweig im Kreise. Camillo macht ein überaus interessiertes Gesicht, aber jetzt war der Engel eindeutig außerhalb seiner Reichweite.
Nun begann bereits ein wildes Getümmel. Nina und Tommy stürzten sich auf die vielen kleinen und größeren Schachteln, die unter und neben dem Glitzerbaum lagen. Einige ließen sie liegen, doch bei manchen brachen sie in Jubelgeschrei aus und zerrten sofort an der Verpackung. Nach und nach hatte jeder Mensch des Rudels etwas zum Aufmachen in den Pfoten. Dieses Aufreißfest schien den Menschen großen Spaß zu machen. Ich erinnerte mich wehmütig daran, dass Camillo und ich ja vor einiger Zeit auch einen tüchtigen Happen Fisch ausgewickelt hatten, doch leider konnte ich keinerlei Futterpäckchen für uns unter dem Baum entdecken.

Nach einiger Zeit hob mich Frauchen in die Höhe und trug mich zur rechten Seite des Baumes, wo sich irgendein mir unbekannter Gegenstand befand, der noch mit einer bunten Decke verhüllt war. Omi hatte in der Zwischenzeit Camillo hochgenommen und näherte sich von der anderen Seite der verdächtigen Decke. Wenn da bloß kein neuer Gitterkäfig drunter war! Frauchen hatte unlängst die Bemerkung fallen lassen, dass der alte Katzenkorb, mit dem sie mich immer zum Tierarzt gebracht hatte, es wohl nicht mehr lange machen würde. Damals hatte ich mich darüber riesig gefreut. Kein Tierarzt – kein Stress! dachte ich mir.
Wehe, wenn hier drunter ein neues Gefängnis auf mich wartete!
Doch zunächst ergab ich mich meinem Schicksal und ließ geschehen, was geschah.
Frauchen zog vorsichtig die Decke von dem Ding weg und zum Vorschein kam – nanu, was war denn das bloß?
Sah eigentlich gar nicht so übel aus, fand ich. Auf einem mit dicker Schnur umwickelten Stamm befanden sich mehrere, in verschiedener Höhe befindliche Aussichtsplattformen, ja sogar eine kuschelige kleine Höhle konnte ich erkennen. Gerade richtig, um einer schläfrigen Katze die nötige Rückzugsmöglichkeit zu gewähren. Das sollte wohl so gemeint sein, dass dieser Baumstamm nun für mich und Camillo war? Oh, wie überaus aufmerksam!
Camillo begann sofort, darauf herumzuklettern, ich hockte mich vorsichtshalber mal daneben und überprüfte aufmerksam die Stabilität der neuen Sache. Sah aber wirklich recht brauchbar und ordentlich aus.
Möglicherweise konnte man da dran ja auch seine Krallen schärfen?
Ich probierte es gleich aus und Frauchen klatschte entzückt in die Hände.
„Na, nun wirst da ja wohl den Wohnzimmerteppich in Frieden lasse, mein Süßer!“ Wieso in Frieden lassen – hatte sich da etwa jemand über mich beschwert?
Wie dem auch war, das Aufreißfest schien seinem Ende zuzugehen und mein Rudel setzte sich zu Tisch. Frauchen trug eine Schüssel heißer Suppe herein, die unheimlich köstlich roch. Ich wusste auch, warum: Da war Fisch drin! Hmmm - lecker! Ich setzte mich gleich neben Omis Sessel und starrte mit sehnsüchtigen Blicken zu ihr hoch. Omi zwinkerte mir belustigt zu und flüsterte: „Du kriegst später was von mir!“ Diese Zusage war doch alle Mal ein wenig Geduld wert. Also wartete ich andächtig.
Camillo schien nicht hungrig zu sein, denn er turnte weiter auf der neuen Plattform herum. Kroch in die Schlafhöhle, kletterte auf deren Dach, sprang von dort auf den Boden und zog sich wieder bis zur obersten Plattform hoch. Dort bleib er eine ganze Weile hocken und fixierte den glitzernden Baum. Irgendetwas schien ihm daran besonders gut zu gefallen. Ich folgte seinen Blicken und entdeckte Ninas Weihnachtsengel, der immer noch seine gemächlichen Runden drehte.
Camillo wurde merklich nervöser und unruhiger. Von der obersten Plattform war es gar nicht einmal so weit bis zu dem frechen Engel…..

Frauchen schöpfte in der Zwischenzeit Suppe in verschiedene Teller. „Ich mag keine Fischsuppe!“ krähte Nina empört. Die ist Ur – Bäh!“
„Ach, probier sie doch wenigstens mal, „ meinte Frauchen, „Es gibt sie doch ohnehin nur einmal im…..“
Weiter kam sie nicht, denn in diesem Augenblick hatte Camillo zum Sprung angesetzt. Mutiger Bursche! Immerhin betrug die Entfernung fast seine dreifache Körperlänge. Er hatte den Abstand zwischen sich und dem Engel wirklich gut berechnet, denn seine Pfoten packten das Zielobjekt tatsächlich von beiden Seiten und zogen es von dem Ast, während er geschickt mit dem Maul nach ihm schnappte. Über die weitere Wirkung seiner Tat schien er sich aber weniger Gedanken gemacht zu haben, denn natürlich hatte er nun keine Pfote mehr frei, um sich irgendwo festzuhalten. Wo auch in dem schwankenden, grünen Gezweig hätte das sein sollen?
Der plötzliche Ruck ließ den Baum sich zu Seite neigen, das hoch schnalzende Ästchen traf auf ein anderes, das mit einer goldenen Kugel bestückt war, die plötzliche ebenso ausgehebelt wurde wie der Engel.
Erst stieg die Kugel ein wenig in die Höhe, dann trat sie, so wie Camillo, ihren Weg zum Wohnzimmerfußboden an, wo sie mit einem hellen „Klirr!“ in unzählige Stücke zersprang.
Camillo mit dem Engel in der Schnauze flutschte zwischen mehreren Zweigen hindurch, sodass auch deren Kugel, Sterne und was auch immer noch Schmuck daran hing, abgeräumt wurden. Klirr! Klirr! Klirr!
Im Handumdrehen war der Boden übersät mir bunten Splittern!

Das alles ging so unglaublich schnell, dass Herrchen, der am nächsten stand, es kaum hätte verhindern können. Er stürzte nur los, um den Baum zu packen, bevor er gänzlich umfiel. Dabei rempelte er an Frauchen an, die noch die halbvolle Suppenschüssel hielt. Davon war sie aber nun auch erlöst, denn sie rutschte ihr aus der Hand und donnerte mit lautem Rumpeln zu Boden, wobei der eine Henkel abbrach und sich deren Inhalt teils auf dem Teppich, teils auf dem Fußboden verteilte.
Camillo überschlug sich bei der Landung, ließ aber den Engel nicht locker, sondern sauste, sobald er sich gefangen hatte, hoch ins obere Stockwerk, wo er sich wohl unter irgendeinem Bett der Kinder zu verstecken gedachte. Nina und Tommy, die sich spontan zum Engelrettungskommando machten, folgten ihm blitzartig.
Herrchen hielt noch immer den Baum fest, so gut er konnte und Omi half ihm dabei, ihn wieder gerade zu bekommen. Frauchen ließ alles liegen und stehen und suchte Putz – und Wischtücher, um die entstandene Überschwemmung zu entfernen. Als höflicher, hilfsbereiter Hauskater unterstützte ich sie sofort in ihren Bemühungen, und begann mit dem Auflecken der Fischsuppe.
Sie war wirklich köstlich!
Ein Jammer, dass sich Camillo stattdessen für den Engel entschieden hatte! An dem war doch wirklich nichts dran gewesen!

Kurze Zeit später kamen Tommy und Nina wieder von oben herunter.
Tommy hielt Camillo im Arm und grinste übers ganze Gesicht, Nina guckte zornig - verheult drein und sah den kleinen Kater mit finsterer Miene an.
Ihr Engel erinnerte mich ein wenig an das Täubchen, das ich im Sommer gefangen hatte – Camillo hatte ihn offensichtlich noch ein wenig gerupft.

Ich beeilte mich mit dem Auflecken, denn Frauchen wischte mir schon die Suppe vor der Nase weg. Herrchen angelte inzwischen nach der Suppenschüssel, die unter den Tisch gerollt war und hob auch den abgebrochenen Henkel auf.
Und dann hörte ich von Omi jenen denkwürdigen Satz, der alles erklärte:
„Das ist ja eine schöne Bescherung!“

Es sollte mir recht sein. Wenn meine Leute es so sehen wollten – warum nicht? Die Fischsuppe hätten sie mir auch viel einfacher in meinem Futterschüsselchen servieren können, aber wie ich schon mehrmals sagte:
Menschen wollen es wohl immer wieder ein bisschen komplizierter haben……


Wird fortgesetzt!

Geändert von a.c.larin (28.12.2009 um 14:35 Uhr)
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