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Alt 19.01.2016, 19:50   #5
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi, Agneta!

Religion entstand aus Hilflosigkeit und Angst gegenüber einer gefährlichen und unerklärbaren Welt, die man so beherrschbar, bewältigbar machen wollte.

Wenn man Angst vorm Tiger hat, was liegt näher als eine Tigerfigur zu schnitzen, ihr Macht anzudichten und sie zu verehren und ihr zu opfern, um den "Geist" des Raubtiers milde zu stimmen, damit einem der reale Tiger nicht mehr solche Angst macht?
Oder wie anders sollte sich der Mensch damals Blitz und Donner, Sturm, Erdbeben, Flut usw. erklären als ein "Zürnen der Geister oder der Ahnen" für irgendwelches Fehlverhalten des Stammes oder einzelner (was öfter vorkam, da so schneller ein allgemein anerkannter Schuldiger gefunden ist!)?!

Daraus wurden im Lauf der Zeit ganze Legenden um die "Geister", Genealogien wirkmächtiger Wesenheiten, in denen sich einige mit den Jahrhunderten als "mächtiger" erwiesen als andere, durch Mythos, Geschichten, historische Zufälle usw. (der Mensch ist gut darin, sich was zurechtzubiegen oder einzureden!). Diese wurden dann zu Primärgottheiten.
Der philosophische nächste Schritt ist klar: Aus vielen Göttern, die alle für etwas Bestimmes zuständig waren, wurde EIN Gott, der dann für ALLES zuständig war, ein freud'scher Übervater.
Erst ein Tyrann, ein Despot - alle waren von seinem Urteil, seiner Gnade abhängig (siehe Altes Testament), später der "gute" Gott voller Gnade - aber eben auch nur, wenn man "glaubte" und "diente". Für den Rest war die Hölle da!

Man baute auch gern Gesundheitstipps (siehe Schweinefleischverbot der Muslime) und kulturelle Ethik in den jeweiligen Wertekanon ein, so wurden allgemeingültige Regeln des Zusammenlebens, an die sich jede Gesellschaft großräumig halten sollte, wenn sie erfolgreich sein will, zu göttlichen Geboten - so als könnte es plötzlich ohne Gott keine Moral und kein Gewissen mehr geben und alle würden wie tollwütig übereinander herfallen!

Die Frauenfeindlichkeit des Islam und die Körper- und Lustfeindlichkeit des Christentums fallen auch in diese Rubrik, und leider haben wir das bis zum heutigen Tage nicht überwunden! Blut- und Reinheitsgesetze überkommener Clangesellschaften aus der Bronzezeit bis zum Mittelalter wirken so immer noch in unserem "Volksempfinden" und Denken fort, oft sogar unbewusst, weil Traditionen zu Geboten werden, deren Nichteinhaltung zum Ausschluß aus der Gemeinschaft führt, bei uns gesellschaftliche Ächtung, in manchen Gegenden durchaus körperlich, indem man die Missliebigen einfach medienwirksam hinrichtet, damit alle ganz genau wissen, was ihnen blüht, wenn sie "sündigen"!

Ach, ich könnte noch stundenlang Vorlesung halten!

LG, eKy

PS: Und nur damit der ferne Osten nicht ungeschoren davonkommt: Was denkst du ist die Strafe dafür, den Dalai Lama zu kritisieren (Ein Gottkönig, dessen Wort Gesetz ist)?

Gefängnis? Folter? Wiedergeburt als Wurm? VIEL schlimmer: Wiedergeburt als FRAU! Soviel zum Frauenbild in Tibet ...

(Empfehlenswert: Gunkl (ein österr. Kabarettist), besonders sein letztes Programm "So Sachen". Viele meiner Bonmots über das menschliche Kasperletheater habe ich von ihm abgekupfert!)
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Geändert von Erich Kykal (14.11.2017 um 20:10 Uhr)
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