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Alt 01.06.2009, 07:08   #3
oliver64
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Hallo chavali,

ich kann mich der Begeisterung nur schwerlich anschließen. Und das liegt in erster Linie am ersten Eindruck. Wenn gereimt wird, erwartet mein Ohr ein diesen Reim unterstützendes Metrum. Vielleicht liegt es an mir, aber ich höre da ein beständiges Stolpern, komme dadurch gar nicht erst richtig hinein. So sieht das für mich aus:

xXxxXxXxXxxX
xXxxXxXxXxxXx
xXxxXxXxXxxX
xXxxXxXXxXx

xXxXxxXxxX
xXxxXxxXxXx
xXxXxxXxxX
XxxXxxxXxxXxxX

xXxxXxXxxX
xXxxXxxXxxX
xXxxXxxXxX
xXxxXxXxxX

Erschwerend für meine Ohren kommt hinzu, dass in der Mittelstrophe aus dem Kreuzreim ein Paarreim wird bzw. zunächst gar kein Reim. Die reime selbst sind sehr schlicht gehalten, was angesichts der geringen inhaltlichen Tiefe auch nicht gerade förderlich ist. Die Tiefe fehlt mir, da du nur die bekannten Versatzstücke verarbeitest: Raffgierige Geizhälse hocken in Kammern, zählen ihr Geld, lassen ihre Familien vertrocknen und vertrocknen am Ende selbst. Das ist mit Verlaub langweilig und zumeist ja nicht einmal sonderlich treffend, sondern entspricht eher dem Bild, welches sich der allgemeine Sozialneid von Geizhälsen macht.

Die Raffgier kommt mir auch zu kurz und unreflektiert herüber. Ich habe gerade dem neuesten Spiegel entnommen, dass selbst Billionären die weitere Vergrößerung ihres Reichtums Glücksgefühle beschert, insofern leben die Superreichen am Ende doch viel glücklicher? Scheiße, aber auch, da bleibt uns Kirchenmäusen nur der Trost in solchen Gedichten über den gedanken, dass Geld nicht glücklich macht. Sind wir es denn? Nun, solch simpel gestrickte Gedichte können mich jedenfalls nicht glücklicher machen.

Das Ende wird in Strophe 3 eher ungelenk eingeläutet, es wirkt, als hättest du dein Tun damit gehabt, auf den Punkt zu kommen. Warum siegt Habgier "beständig" über den Tod? Ist dieser Prot. ständig vom Tod bedroht und hält ihn nur die Habgier am Leben? Dann kann es keine Todsünde sein. Weiter geht es: Mitten im Schaffen und Raffen, erblickt er "schon bald schwächelnd" das Morgenrot? Das ist eine sehr unglückliche Konstruktion, die sich nicht sinnvoll in den Kontext fügen will. Wenn er ständig über den Tod siegt, dann kann er nicht schon bald schwächeln und/oder das Morgenrot erblicken, dann hat er dieses Schwächeln lange hinausgezögert.

Und dann stirbt er so ratzfatz. Das wirkt auf mich, als hättest du ihn geradezu befriedigt um die Ecke gebracht. Die Leserschaft kann sich genüsslich delektieren, dieser trockene Geldsack ist weg und was hat es ihm außer Geldzählen gebracht? Nichts. Ja, das ist schön einfach, da muss man nicht weiter nachdenken. Auch das finde ich langweilig, das bedient lediglich Erwartungshaltungen, befriedigt den Impuls. Bei einer so holzschnittartigen, zweidimensionalen Sichtweise fühle ich mich als Leser unterfordert.

Zu loben ist, dass du dir programmatisch etwas vorgenommen hast und dein Thema auch konsequent durchgehst. Du bist sichtbar um Struktur und Reim bemüht, willst einen Spannungsbogen aufbauen, stellst den Protagonisten vor, zeigst sein Problem auf und bringst ihn um die Ecke. Insofern dichtest du von A nach Z und bietest überhaupt erst die Möglichkeit, dass man kritisch ansetzen kann. Ich meine das sehr ernst, denn die Nichtskönner, die wabern meistens nur umher, die stellen amorphe Gedichte her, durch die man durchtritt. Du getraust dich etwas und das ist prima.

Und es ist doch auch gut, dass es noch Luft nach oben gibt. Die gibt es sowieso immer.

Beste Grüße
Oliver

Geändert von oliver64 (01.06.2009 um 07:10 Uhr) Grund: Rechtschreibung
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