Thema: Hymne
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Alt 06.04.2012, 02:02   #6
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Hallo Thomas,

ich habe jetzt mehrere Male angesetzt, hier eine Antwort zu verfassen.

Hm, ich glaube, bei diesem Thema kommen wir nicht auf einen Nenner, ich kann dem Glauben nichts abgewinnen.

Für mich ist jeder Glaube ein Märchen.
Ein Märchen für Groß und Klein, wie das Märchen vom Osterhasen, dem Weihnachtsmann oder dem Christkind, die den Kindern die Geschenke bringen.

Letztlich glauben die Kinder auch eine Weile daran und wenn wir ehrlich sind, handelt es sich hierbei auch um eine Lüge, wenn wir einem kleinen Menschen voller Ernst erklären, daß ihm das Christkind zu Weihnachten seine Geschenke bringt.

Das sind auch menschliche Erfindungen.

Ich kann es nicht erklären, aber ich habe niemals einen Gott gefunden, ich kann auch nichts Positives, Schönes, Erhabenes oder Heiliges im Glauben finden, ich spüre nichts davon in meinem Herzen, ich sehe eher die negativen Seiten, es bedrückt mich und erfüllt mich mit Abneigung, es stößt mich ab und gibt mir das Gefühl der Unfreiheit.
Ich bin nicht in der Lage, mich einer religiösen Moral zu unterwerfen, weil sie meinen freien Geist behindern würde, es würde mich behindern, alles so auszusprechen, wie sich die Welt in meiner Vorstellung darstellt, es würde mich daran hindern, mein Leben mit einer ehrlichen Motivation zu begehen.
Wenn ich bei jeder meiner Handlungen das "Fallbeil" der Sanktionen über mir spüren würde (die menschlichen Gesetze lassen wir mal außen vor), wäre meine Motivation eine rein egoistische, nämlich die Hoffnung auf ein besseres Leben nach dem Tode.
Und ein Gott, der alles verzeiht, wäre auch nicht gerecht, dann würden selbst die schlimmsten Dikatoren und Tyrannen genau so behandelt, wie jemand, der sein Leben in den Dienst des Glaubens gestellt hätte.

Ich kann auch Leuten wie Hegel nicht folgen, weil sie in ihren ganzen schönen Philosophien jeglichen Beweis schuldig geblieben sind. Es bleibt bei Theorien und Dogmen, die niemals beweisbar sind.

Und ich sehe die ganzen Versprechungen auf ein Leben nach dem Tode als leere Hülsen.

Ich kann weder an eine Jungfrauengeburt noch an eine Auferstehung glauben.

Ich kann nicht an eine Weltanschauung glauben, die auf Wundern und Offenbarungen aufgebaut ist, es ist für mich logisch nicht nachvollziehbar, es sind ausgedachte Geschichten, um die Menschen hörig zu machen und ihr metaphysisches Bedürfnis zu befriedigen.

Da fällt mir ein Zitat von Schiller ein:

Xenien aus dem Musen-Almanach für das Jahr 1797

(55) Die Stockblinden

"Blinde, weiß ich wohl, fühlen und Taube sehen viel schärfer, aber mit welchem Organ philosophiert denn das Volk?"

Und das ist genau der Punkt.
Religion ist Philosophie für das Volk.

Ich kann nicht an einen allmächtigen, allwissenden Gott glauben, der seine Kreaturen in eine Welt setzt, wo sie sich nur durch die Lebensenergie anderer Lebewesen eine Weile erhalten können.
Ich kann nicht an einen allmächtigen, allwissenden Gott glauben, der seine Kinder mit einer Erbsünde auf die Welt kommen lässt.
Ich kann nicht an einen allmächtigen, allwissenden Gott glauben, der alle diese Greueltaten zulässt, die sich seine Kinder gegenseitig antun.
Ich kann nicht an einen allmächtigen, allwissenden Gott glauben, der jedem Menschen einen freien Willen gegeben hat, nur um ihn zu bestrafen, wenn er ihn auch nutzt.
Ich kann nicht an einen allmächtigen, allwissenden Gott glauben, der menschliche Bedürfnisse wie Sexualität streng reglementiert und Frauen und Männer nicht gleichstellt.
Ich kann nicht an einen allmächtigen, allwissenden Gott glauben, der schon vorher alles weiß und trotzdem ständig neue Seelen erschafft, die fehlerhaft sind und niemals ohne "Sünde" durchs Leben gehen können.
Und diese Liste könnte ich jetzt endlos fortführen.

Das alles geht mir nicht ein.

Da halte ich es mit Schopenhauer:

Ich kann nicht daran glauben, daß jemals Wesen, die keine Menschen waren, unserem Geschlecht Aufschlüsse über sein und der Welt Dasein und Zweck gegeben hätten.
Es gibt nur die Gedanken der Weisen, die weil sie dem menschlichen Irrtum unterworfen sind, in wunderliche Allegorien und Mythen eingekleidet sind, wo sie dann Religionen heißen.
Dabei ist es eigentlich gleichgültig, ob jemand sich auf eigene oder fremde Gedanken verlässt, es sind immer nur menschliche Gedanken, aber der Mensch neigt nun mal dazu, lieber anderen, welche übernatürliche Quellen vorgeben, als ihrem eigenen Kopfe zu trauen.

Das Geheimnis und die List aller Pfaffen dieser Erde ist und war zu allen Zeiten, mögen es brahmanische oder mohammedanische, buddhaistische oder christliche sein, daß sie die große metaphysische Sehnsucht der Menschen richtig erkannt haben und vorgeben, die Befriedigung desselben zu besitzen, indem das Wort des großen Rätsels ihnen auf außerordentlichem Wege direkt zugekommen wäre.
Dieses den Menschen einmal eingeredet, lassen sie sich nach Herzenslust leiten und beherrschen.

Und für mich das Schlimme dabei ist, daß dies schon den kleinen Menschenkindern eingeredet wird, die dadurch von klein auf manipuliert sind und das oft niemals mehr loswerden.

Meiner Meinung nach gehört auch der Religionsunterricht aus den Schulen verbannt.
Das gehört in die jeweiligen Glaubenshäuser, denn das hat mit Bildung und Wissen nicht das Geringste zu tun.
Lasst die Kinder statdessen Ethik lernen und sich bei entsprechender Reife selbst entscheiden, ob und welchem Glauben sie beitreten wollen.

Ich kann mir auch nicht vorstellen, nach meinem Ableben vor einem inividuellen Wesen zu stehen und ihm zu sagen: Herr ich danke dir. Einst war ich nichts , dann hast du mich aus Nichts erschaffen und wenn ich gesündigt habe, so ist das meine Schuld.

Und immer wieder höre ich das Argument, daß des Herren Wege eben unergründlich seien. Warum sollte sich demnach also jemand überhaupt Gedanken darüber machen und wer will sich anmaßen, überhaupt etwas von diesem Gott zu wissen?

Es heißt, Gott schuf die Menschen nach seinem Ebenbild, aber es müsste umgekehrt heißen: Die Menschen schufen sich Gott nach ihrem Ebenbild und gaben ihm menschliche Eigenschaften.


Alles das habe ich mit dem Begriff "Lüge" abgedeckt, denn es ist nicht wahr, weil der Glaube eben lediglich die Anerkennung einer Annahme ohne Überprüfung bzw. die Möglichkeit einer Überprüfung ist.

Ich weiß aber um die Kraft der Liebe, weil ich sie in mir spüre, weil ich mich danach sehne, sie zu empfangen und zu geben. Es treibt mich an und fort.

Und um das "Jenseits" mache ich mir absolut keine Gedanken, es kommt alles so, wie es kommen muss.
Ich habe vor meiner Geburt eine Unendlichkeit nicht existiert und werde es nach meinem Tod auch nicht.

Aber daß ich existiere, das ganz allein gibt mir Kraft und Zuversicht genug, ich habe keine Angst vor dem Tod, höchstens vor dem Sterben, das gebe ich zu, aber nicht vor dem Tod.
Im Tode falle ich wieder aus der Zeit und ohne Zeit währt jede Unendlichkeit nicht einmal einen Atemhauch.

Für mich bedeutet jede Religion eine Abkehr von diesem Leben und eine Ausrichtung auf das Jenseits.
Ich habe aber nur dieses eine Leben hier und jetzt und darauf will ich mich ganz alleine konzentrieren. Ob und was danach kommt, wird sich so oder so zeigen - oder eben nicht.


Uff, das war jetzt eine lange Rede und Antwort auf einen kurzen Kommentar, aber es erschien mir wichtig, meinen Standpunkt "etwas" ausführlich darzulegen.


Vielen Dank für deine Gedanken und ich akzeptiere, daß dir die andere Hymne besser gefällt...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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