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Alt 25.05.2011, 23:28   #40
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Zu Anfang ein Vorschlag:

Ich möchte anregen, daß wir in dieser Rubrik die Doppelpost-Regel außer Kraft setzen.

Warum?

Ich las gerade während meiner Antwort an Erich den sehr komplexen und umfangreichen Beitrag von Stimme. Um beiden Beiträgen gerecht werden zu können, sie haben es nämlich verdient, der eine so , der andere so würde ich gerne getrennt antworten, denn dies in einem Beitrag zu machen, würde meinen heutigen Zeitrahmen sprengen.

Natürlich soll hier niemand einen längeren Monolog führen, aber die Beiträge fliegen ja auch hier nicht so hinein, erfordern sie doch einigen Aufwand.
Und diese Ausnahmeregelung käme ja nicht nur mir zugute.

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Moin Erich,

ein Wort vorab bitte:
Ich stimme Arthur Schopenhauer zu, der sagte, das ist meine Philosophie, der nie behauptete, es ist so, sondern nur versuchte zu erklären, wie er die Beweislage sieht und was seiner Meinung nach der Wahrheit entspricht.
Er hat stets mit Tatsachen, die seinem damaligen Kenntnisstand zugrunde lagen, argumentiert und seine Beweise geführt.
Es war sein Ansinnen, Stoff zum Denken zu geben und überlässt es stets seinem Leser, eigene Schlüsse zu ziehen, und alles ohne jemals dabei in wilde Spekulationen abzurutschen.
Ich habe bisher viel von ihm lernen können, denn er ist auch heute noch in seinen Schriften ein guter, wissender und weiser Lehrer, dem ich als durchaus kritischer Schüler sehr willkommen gewesen wäre, denn wir "diskutieren" oft miteinander, weil wir nicht immer einer Meinung sind, obwohl er oft Recht behält.
Ich werde deshalb in einen Teil meiner Antwort (*-*) einige seiner Überlegungen mit einfließen lassen, und zwar aus seiner gekrönten Preisschrift "Über die Freiheit des Willens" von 1839.
Das möchte und muss ich erwähnen und das bin ihm schuldig, denn er hat mich mit seinen Worten auf meine Gedanken gebracht. Ich könnte aber einige Dinge nicht einfacher und verständlicher ausdrücken, ohne dabei weit ausholen zu müssen und das darf ich auch, denn ich benutze zwar seine unwiderlegbaren Fakten, die immer noch Gültigkeit besitzen, verfolge jedoch damit letztendlich ein anderes Ziel.

Soviel dazu, jetzt zurück zu deiner letzten Replik:

Also ehrlich gesagt, bin ich jetzt ein wenig enttäuscht von deiner Antwort.

An anderer Stelle erwähntest du unsere furztrockene Fachsimpelei humoristisch, doch jetzt habe ich den Eindruck, du hast keine rechte Lust mehr an dieser Art der Diskussion, deshalb lass uns jetzt mal, ich denke, wir zwei können uns das auf gleicher Augenhöhe erlauben, ein wenig Feuer und damit Schwung und Würze in diese Diskussion einbringen.
Nehmen wir das Ganze also mal nicht so verbissen ernst.

Du bist ein Scherzbold, echt.
Glaubst du wirklich, ich hätte die, sicherlich nicht böse gemeinten, versteckten Anspielungen nicht verstanden?
Es war doch nur ein kleiner Konter und selbstverständlich kann ich mir außer Anthropozentrismus und Theozentrismus noch eine ganze Menge vorstellen.

Es ist natürlich kein Wunder daß du glaubst, ich gleite mit meinem Erkenntnisfolgeprozess so reibungslos an dem ab, was du eigentlich aussagen wolltest, denn ich bin ja sehr explizit und ausführlich auf jede deiner Aussagen eingegangen und habe sie dabei weitestgehend widerlegen können.
Das konnte nur deshalb so gut gelingen, weil ich sehr wohl verstanden habe, was du mir mitteilen wolltest, ich glaube es nur nicht.

Im Grunde genommen sind wir uns doch einig, was die Religion angeht, deshalb kann ich auch nicht verstehen, warum du mir gegenüber immer wieder erwähnst, daß es keine Götter gibt.
Wieso beziehst du meine Aussage, da müsse noch etwas sein, auf irgendeinen spirituellen Hokuspokus, wo ich doch immer wieder darauf hingewiesen habe, daß ich dies der Metaphysik zuordne?

Diese ist nämlich absolut notwendig, da die gesamte Wissenschaft in bestimmten Dingen immer wieder in erhebliche Erklärungsnöte gerät und außer ihren eigenen Dogmen, auf denen sie ohne Wenn und Aber aufbaut, nichts vorzuweisen hat.

*Das zeigt sich in der gesamten Physik und Chemie, die bei ihren Erklärungen Naturkräfte vorausetzen, die sich in Phänomenen äußern und in der Zurückführung auf welche die ganze Erklärung besteht.
Diese Naturkräfte selbst aber sind weder Erklärungen unterworfen, sie sind nämlich das Prinzip aller Erklärungen selbst, noch sind sie irgendwelcher Kausalität unterworfen, sondern sind genau das, was jeglicher Ursache die Kausalität, also die Fähigkeit zu wirken, verleiht.

Nehmen wir als Beispiel das Phänomen des Magnetismus'.
Das wird zurückgeführt auf die urprüngliche Naturkraft der Elektrizität.
Und nun?
Nun schweigt die Wissenschaft, die zwar diese Kraft zu erzeugen und sie zu nutzen weiß, die auch ihre Wirkung zu erklären versteht, nicht aber was jene ursprüngliche Naturkraft eigentlich ist!
Nein, sie kann lediglich die Bedingungen angeben unter denen sie sich äußert, d. h. die Ursachen, welche ihre Wirksamkeit hervorrufen.
Das Gleiche gilt für die Gravitation, deren ursprüngliche Naturkraft die Voraussetzung für die Erklärung der himmlischen Mechanik ist.
Was sind das für geheime Kräfte, aus welcher die Chemie ihre Erklärungen für bestimmte stoffliche Reaktionen voraussetzt und auf denen alle Wirkungen zuletzt beruhen, welche, durch Ursachen, die man angibt, hervorgerufen, pünktlich eintreten?
Ebenso setzen alle Erklärungen der Physiologie die Lebenskraft voraus, als welche auf spezifische innere und äußere Reize bestimmt reagiert.
Selbst die Grundlagen der Mechanik, die sich mit Stoß und Druck beschäftigen, benötigen als Erklärung Undurchdringlichkeit, Kohäsion, Starrheit, Härte, Trägheit, Schwere, Elastizität die nichts weniger als die schon erwähnten ursprünglichen Naturkräfte sind.

So bleibt also nur ein Fazit:

Zitat:
Zitat von Schopi
Ursprüngliche Kraft setzt jede Kausalität und jede Erklärung aus ihr voraus: daher eben letztere nie alles erklärt, sondern stets ein Unerklärliches übriglässt.
So weit kommen wir also mit der Wissenschaft und das meinte ich mit "da muss es noch etwas anderes geben". *

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Mir ist es letztendlich egal, ob jemand an einen Gott (Religion) oder die Wissenschaft glaubt, denn im Grunde unterscheidet sich das kaum voneinander, denn beide, Religion wie Wissenschaft begründen sich durch ihre unerklärlichen Dogmen, mit dem einzigen Unterschied der moralischen und ethischen Aspekte, die der reinen Wissenschaft völlig abgehen und damit für den gebildeten und intelligenten Menschen noch leichtere Lebensanschauungen, da sie logisch nachvollziehbarer und bewertungsfreier sind, bieten.
Jedoch können auch letztere sich den moralischen und ethischen Instanzen nicht entziehen und das ist es ja auch, was den Menschen vom Tier unterscheidet und nicht nur seine Fähigkeit des abstrakten Denkens.
Und schon wären wir auf der geistigen Ebene angelangt.

Ich habe nun ein wenig recherchiert und bin zu dem Resultat gekommen, daß die These der "Ichsimulation" ein nettes theoretisches Modell ist, mehr aber auch nicht.
Kann man ja mal drüber reden, aber letztendlich sprechen zu viele Fakten dagegen.

Ich muss noch einmal wiederholen:
Ich bin im Besitz eines sehr komfortablen Körpers, der mit guten Sinnesorganen, feinen Werkzeugen und einem durchschnittlich funktionierenden Denkorgan ausgerüstet ist.
Diesen Körper kann ich mit meinem Willen steuern. Er geht wohin es mir beliebt (sofern mir die technischen Möglichkeiten dazu zur Verfügung stehen), er lässt mich Handlungen ausführen und er lässt mir Raum für wesentliche Willensentscheidungen.
Er ist bestens ausgestattet dafür, mich mit der Außenwelt in Kontakt zu bringen, die Steuerungsfunktionen für alle Handlungen und die lebenserhaltenden Systeme zu übernehmen und auszuführen, mich zu warnen und so gut es geht zu schützen, er lernt mit mir, was gut ist und sich bewährt hat und richtet sogar bestimmte Automatismen zur Durchführung diesbezüglicher regelmäßiger Handlungen ein und das überlasse ich auch gerne ihm, nebst den vielen dazugehörigen Entscheidungen, ja ich bin sogar dankbar dafür weil ich mich damit gar nicht befassen will (und es auch gar nicht könnte bei der Komplexität der Aufgaben).
Es gibt aber viele Dinge, die meine persönlichen und individuellen Lebensumstände betreffen und die nur ich bewusst entscheiden kann.
Dabei muss ich abwägen und es gibt immer wieder äußere und innere Faktoren, die diese Entscheidungen beeinflussen, jedoch liegt es an mir, die sich bietenden Möglichkeiten unter der Berücksichtigung der Grenzen meiner Fähigkeiten einzuschätzen, also ein Urteil zu fällen.
Das muss zwangsläufig nicht immer richtig sein, doch es obliegt letztendlich mir und meinem Willen. Ob letzterer nun frei ist oder nicht, doch das ist hier nicht das Thema, denn es geht nur um die mir wesentlichen Willensentscheidungen.

Mein Körper und ich gehören zusammen, denn wir sind untrennbar miteinander verbunden, einer Symbiose vergleichbar.
Erst als Einheit sind wir existenzfähig und wenn wir sterben, dann geht diese spezielle und einmalige Individualität verloren.
Was aber mit der oben erwähnten Lebenskraft geschieht, wenn sie diesen Körper verlässt, wissen wir nicht und es wird die letzte Erfahrung oder aber auch eben nicht sein.

Und da können die Gehrinforscher gerne mit allen möglichen technischen Geräten unter zu Hifenahme der o. a. ursprünglichen, aber unerklärbaren Naturkräfte in meinen Schädel reinschauen und bestimmte Funktionen und Reaktionen in verschiedenen Regionen meines Hirnes sichtbar machen, sie werden doch niemals den Gesamtzusammenhang erfassen, niemals mein Bewusstsein sondieren, meine Gedanken lesen und niemals die Lebenskraft sichtbar machen, geschweige denn das alles erklären können, weil sie an die eigentlichen Ursachen nicht heran kommen. Selbst die elektrochemischen Überlebensprozesse auf der Basis von Aminosäuren bleiben unerklärlich und können lediglich zur Erklärung bestimmter ablaufender Prozesse und Funktionen dienen. Aber warum das so ist, können sie nicht mal ansatzweise erklären.

Deine Aussage, daß der Mensch sich zu wichtig nimmt, ist der beste Beweis für die Existenz einer geistigen Ebene, denn darin ist eine moralische Wertung enthalten, derer nur der Mensch fähig ist und ihn deshalb von allen anderen uns bekannten Lebewesen unterscheidet, welches ihn in jedem Fall zu einem der interessantesten Forschungsobjekte erhebt.

Denn mit dem Menschen, auch wenn er diesem Ruf beileibe nicht immer gerecht wird, hat die Natur sich selbst gekrönt, indem sie ein Wesen erschaffen hat, das sich selbst und damit alles andere bewusst wahrnehmen kann.

Und an dieser Stelle möchte ich gerne Herrn Goethe zitieren, der wusste auch...

Wie an dem Tag, der dich der Welt verliehen,
die Sonne stand zum Gruße der Planeten,
bist alsobald und fort und fort gediehen
nach dem Gesetz, wonach du angetreten.
So musst du sein, dir kannst du nicht entfliehen,
so sagten schon Sibyllen, so Propheten;
und keine Zeit und keine Macht zerstückelt
geprägte Form, die lebend sich entwickelt.

(Urworte, Orphisch I)

Soviel erst einmal von einem belesenen Laien, der keineswegs eine verbaute Sichtweise besitzt, sondern dieselbe lediglich nach allen Seiten offenhält und damit keine einseitige und dogmatische vertritt.


Liebe Grüße

Falderwald


PS:

@Stimme

Du bist als nächstes dran.
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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