Thema: Am Gleisbett
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Alt 21.05.2018, 05:54   #17
Thomas
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Lieber Laie,

es wäre natürlich besser, wenn du es selbst herausfinden würdest. Wie sprichst du z.B.: "Wie sie sich entheben." Oder "Ich sehe natürlich, wie sie sich…" ?

Es ist aber nicht das Wort "wie" an sich. Da einsilbige Worte keine lexikalische Betonung haben, d.h. fast immer betont und unbetont sein können, ist erst einmal unklar, ob es Ton trägt. Die Betonung richtet sich vor Allem nach der "Umgebung" in der das Wort steht. Nun beginnt die zweite Zeile gleich mit fünf einsilbigen Worten. In dieser Umgebung wirkt beim Lesen vor allem das davorstehende Komma, bestärkt durch die (fast unhörbare) Pause des Zeilensprungs. Worte nach Pausen sind i.A. tontragend, was Sprecher bewusst zur Betonung nutzen, wenn sie monoton klingen wollen. Hinzu kommt die Wirkung der drei kurzen "i" am Zeilenanfang "wie sie sich", wäre der Vokal des zweiten Wortes lang, z.B. "wie schön sie" hätte das "wie" keinen Ton. etc.

Hinzu kommt, dass es die zweite Zeile ist. Du denkst beim Schreiben in Jamben, der Leser kann das nicht wissen und muss es beim Lesen erst herausfinden. Am Anfang ist bei ihm das jambische Metrum noch nicht gefestigt. Stünde die Zeile etwas weiter hinten, wäre die leichte Tonbeugung unproblematisch.

Liebe Grüße
Thomas
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© Ralf Schauerhammer

Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller
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