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Alt 01.01.2012, 11:51   #2
Stimme der Zeit
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Liebe Chavi,

mein erster Gedanke beim Lesen war: Wie traurig, wenn zwei Menschen an Silvester unglücklich sind. Regen ist eine gute Metapher, um das darzustellen, ich habe sie auch selbst schon verwendet. Besonders gut gefällt mir in diesem Zusammenhang die Formulierung in Strophe 3:

Zitat:
Regen fällt noch immer, doch ich spür ihn nicht,
denn nass von Tränen ist nun mein Gesicht.
Sehr schön, die Verbindung der Strophen miteinander, sie zeigt sich hier gekonnt sowohl in Endreimen als auch inhaltlich durch die gewollten Wiederholungen:

Zitat:
Regen fällt am letzten Tag des Jahres,
[...]
Regen fällt noch immer, doch ich spür ihn nicht,
Zitat:
weg von dem Licht, bei dem zusammen saßen
[...]
es schlägt und schlägt auch wieder nicht,
es hält für sieben Jahre Leben lang Gericht
[...]
Regen fällt noch immer, doch ich spür ihn nicht,
denn nass von Tränen ist nun mein Gesicht.
(Der identische Reim "nicht" passt inhaltlich.)
Zitat:
Unglück und die tiefe Traurigkeit.
[...]
ist zu keinem Kompromiss bereit.
[...]
Vergebung und Versöhnung sind zu weit.
"Unglück, Traurigkeit" - "keine Kompromissbereitschaft" - "Vergebung und Versöhnung (sind zu weit)"; "Das Herz schlägt" - "Das Herz klopft". Nur, um die "Feinarbeit" hier einmal auszugsweise darzustellen.

Formal sage ich zum Metrum: Ich musste mich beim ersten Lesen etwas "einlesen", aber beim zweiten Mal kam ich dann gut mit dem Rhythmus zurecht. (Das betrifft nur die beiden Verse mit 6 Hebungen.)

Ich möchte nur eine Anmerkung machen, die aber keine Kritik ist, nur meine Gedanken dazu:

In Strophe 1 und 2 sind sowohl der erste als auch der letzte Vers trochäisch (die inneren drei sind jambisch). In Strophe 3 wird dieses Muster durchbrochen. Wie gesagt, ich meine das nicht als Kritik, es ist nur so, dass ich zwei "Muster" sehe - das des Endkehrreims und das des Metrums - und jetzt bin ich selbst ein bisschen "gespalten", denn inhaltlich und metrisch würde das Gedichtende mir so "herum" besser gefallen:

Zitat:
Vergebung und Versöhnung sind zu weit.
leis verhallt der Tritt von meinen Schuhn.
Was den Endkehrreim "zerstört". Daher bin ich so "zwiespältig", denn gerade das "leise Verhallen" gefiele mir als "Abschluss" besonders gut, und es würde im Sinne von "erster und letzter Vers je Strophe sind trochäisch" ebenfalls passen - *ratlos guck*

Deshalb sage ich ja, dass es keine Kritik ist, denn es ist ja "richtig", wie es ist ...

Interessant ist das Reimschema generell. Tripelreim, Waise, umarmender Reim, Paarreim, Endkehrreim - flexibel dem Inhalt zugemessen.

Ich lasse also gerne ein Lob "hier".

Sehr gerne gelesen und kommentiert!

Liebe Grüße

Stimme
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