Thema: "Nichts!?"
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Alt 17.04.2009, 01:05   #6
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Registriert seit: 07.02.2009
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Hallo Feirefiz,

ein zunehmend ernstes Thema, was du hier aufgreifst.
Auch ich sehe die Gesellschaftsentwicklung ein wenig mit Schrecken und frage mich oft, woran das wohl liegen mag.
Ich kann mich noch sehr gut an meine Kindheit erinnern.
Wir hatten damals ganz andere Waffen.
Täuschend echte Revolver, Erbsenpistolen, Spielzeuggewehre in richtig guter Qualität und später, im jugendlichen Alter, sogar Luftgewehre/Luftpistolen und äußerst effektive Steinschleudern.
Es gab Zündplättchen in verschiedenster Art und Weise für die Spielzeuge, spitze und stumpfe Diabolos für die Luftdruckwaffen und für die Steinschleudern mochten wir besonders die Kügelchen aus defekten Kugellagern, die ein Freund aus der Firma seines Vaters besorgen konnte.
Wir bauten gar kleine "Bomben", indem wir Schwarzpulver aus einem Gemisch mit Unkraut-Ex und anderen Zutaten, die ich hier nicht erläutern will, selbst herstellten, es in leere Coladosen füllten, Sand drauf pressten und von unten zündeten.
So haben wir sogar kleine Raketen gebaut, die immerhin auch funktionierten.
Rückblickend betrachtet, war das natürlich alles mit einem großen Risiko behaftet, doch es ist immer gut gegangen.
Auch ist, soweit ich weiß, niemand aus meinem damaligen Freundeskreis irgendwie straffällig mit Gewaltdelikten geworden.
Ich will damit sagen, daß uns das Indianer und Cowboyspiel nicht geschadet hat.
Und das war mit Sicherheit genau so brutal, wie du es in deinem Gedicht beschrieben hast.
Wo also liegt der Unterschied zur heutigen Zeit?

Ich kann mir als Grund eigentlich nur eine Verschiebung der moralischen und ideellen Werte denken.
Wir haben damals immer einen "Spielkampf" vermeintlich Gut gegen vermeintlich Böse ausgetragen.
Wir konnten auch das Gute bennennen und jeder versuchte, auf der "guten Seite" spielend zu kämpfen.
Da waren noch Ideale vorhanden, Vorbilder, denen man nacheifern konnte, weil es derer nicht so viele gab.
Meine Güte, wir hatten ein S/W Fernseher und es gab maximal drei Programme.
Da haben wir uns an den Bonanza Helden, später an Daktari und noch später an Captain Kirk und seiner Crew ausgerichtet.
Auch in der Politik gab es damals noch Vorbilder, Menschen, denen man mit Achtung entgegenblickte.
Dafür musste man nicht unbedingt mit ihnen sympathisieren, aber sie vermittelten trotzdem eine andere Sichtweise als heute.

Heutzutage wird man mit Helden und Antihelden übersättigt und das Gute und das Böse vermischt sich oftmals. Ich habe das Gefühl, die Kinder der heutigen Zeit können dies manchmal nicht mehr richtig unterscheiden.
Nicht weil sie dümmer oder emotionsloser sind, sondern weil eine Reizüberflutung durch die neuen Medien stattfindet.
Auch die Politik bleibt blass und farblos und vermittelt schon längst kein Vertrauen mehr, wohl eher im Gegenteil.
Woran soll man sich heute also orientieren?

In meiner Zeit hat es so gut wie keine Amokläufe gegeben, so etwas hörte man nur aus dem entfernten Amerika und konnte so etwas kaum fassen.
Heute passiert das in schöner Regelmäßigkeit fast vor unserer Haustüre, und kann es immer noch nicht fassen.

Doch ich sehe eine Parallele zu den Ereignisssen.
Im Zeitalter der Globalisierung, die ihren Ursprung sicherlich in den Vereinigten Staaten hatte, vermischen sich die Völker und damit die Kulturen dieser Erde immer mehr.
Da dort manchmal Welten aufeinanderprallen, wird es auch immer wieder zu Reibereien kommen, die sich in einer zunehmenden Gewaltbereitschaft äußern, zumal die westliche oder kapitalistische Welt zunehmend größere Gesellschaften bekommt, was zudem die Existenzfrage des Einzelnen immer mehr in den Vordergrund rückt.
Das heißt im Klartext, du musst heute mehr kämpfen, um zu überleben, als in früheren Jahren.

Sicherlich sollte es langfristiges Ziel sein, die Menschheit irgendwann einmal zu einigen und somit einen dauernden Frieden unter den Menschen herzustellen, doch leider ist das noch ein langer Weg bis dort hin.
Die ersten Schritte dazu werden sicherlich getan und ich denke, daß wir im Aufbruch in ein neues Zeitalter sind, doch diese ersten Schritte sind sehr schwer und für das Ziel wird noch manches Opfer zu bringen sein.
Und da wir ganz am Anfang dieser heißen Phase stehen, ist der Höhepunkt noch längst nicht erreicht und ich befürchte nichts Gutes für die nächste Zukunft.

Das sollte uns allen langsam bewusst werden.
Wer Veränderungen fordert, eine Weiterentwicklung hin zum Idealen, der muss auch den harten und steinigen, vielleicht auch manchmal blutigen Weg hin zum Ziel in Kauf nehmen.

Die heutigen Kinder sind nicht schlechter als früher, doch sie werden nicht richtig angeleitet, weil ihnen die Perspektiven gestohlen werden.

Kein Wunder, um auf dein Gedicht zurück zu kommen, daß sie auf die Frage, was mit ihnen los sei, nur mit "nichts" antworten können.
Es fehlt an allen Ecken und Kanten, es wird nur noch das Nötigste in Kinder investiert.
Für so viele andere Dinge werden schwindelerregende Summen aufgewendet, nur in unsere Zukunft wird nichts investiert.

Arme Kinder!
Arme Zeit!

Es wird lange dauern, bis es wieder besser wird.

So lange können wir Dichter nur beschreiben und unsere Zeit in Zeilen und Versen festhalten, wie ein Bild, in der Hoffnung, daß manche Worte von uns gelesen werden und vielleicht irgendwann einmal Gehör finden.

Puh, das ist ein langer Kommentar geworden.
Aber daran kannst du erkennen, wozu mich der Inhalt deines Gedichtes inspiriert hat.

Allerdings weist dein Text noch erhebliche Mängel im Versmaß auf, die Metrik ist keinesfalls gleichmäßig und flüssig.
Daran solltest du noch arbeiten.


Gerne gelesen, kommentiert und schwadroniert...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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