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Alt 19.01.2012, 16:48   #7
Stimme der Zeit
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Hallo, Faldi,

Zitat:
Zitat von Falderwald:
Nun, ich hatte mitbekommen, daß du dich in letzter Zeit intensiv mit dem Hexameter auseinandergesetzt hast.
Und wie ich dich kenne, veröffentlichst du hier keine ersten Versuche, sondern schon relativ ausgereifte Texte.
Das brachte ich in der ersten Strophe meines Antwortgedichtes auch gebührend zum Ausdruck.
Kannte ich bisher meist "antike" Verse als Hexameter, so stellte die Wortwahl hier eine erfrischende Neuerung dar. Moderne Sprache in einer klassischen Versform dargereicht, wie man es heute leider nur noch an wenigen besonderen Orten, z. B. in einigen Gedichteforen findet.
Und das ist eigentlich schade, weil Hexameterverse voller Pathos, erhaben und zeitlos wirken.
Das trifft sehr genau den Punkt. Ich schrieb schon viel, aber ich scheine es nicht zu schaffen, das zu vermitteln, was ich meine. (Unabhängig vom Thema.) Ob nun in Gedichten, Kommentaren, Antworten, Diskussionen oder sogar im Chat. Ich resigniere darin mittlerweile tatsächlich. Hier bezieht sich das ganz konkret darauf, dass ich einer "Klassik-Front" zugeordnet werde und "etwas gegen moderne Lyrik habe". Und ich bin's müde, da ständig "Nein" zu sagen. Ich versuche es nochmal: Goethe schrieb in der Sprache "seiner Zeit", d. h. damals "aktuell". Er schrieb ja nicht wie Walter von der Vogelweide - und dieser nicht wie Sophokles. Daher schreibe ich "aktuell" - zumindest versuche ich das. Und warum nicht im Hexameter? Nach dem Sonett ist der Hexameter mittlerweile ein "persönlicher Liebling" von mir. Das hat also mit "Klassik" oder "Antik" nur rein "formbezogen" etwas zu tun - nicht mit Inhalt oder Wortwahl. Würde ich wie Schiller oder Goethe schreiben, wäre ich gezwungen, mich selbst als "Kopistin" der Vergangenheit zu sehen. Um "authentisch" zu sein, kopiere ich nicht, sondern schreibe (und spreche) als "ich selbst". In "meiner" Sprache. Und es ist so, dass ich, wie hier, Zäsuren inhaltsbezogen anders setze oder einen Versuch unternehme, alle Verse daktylisch zu beginnen und auch Choriamben an den Versanfängen zu verwenden. Außerdem steckt ein wenig von Klopstocks Ansichten über Rhythmus darin (in einzelnen Versen). Ich arbeitet hier auch mit Sinnabschnitten, einem Begriff aus der modernen Lyrik. Man könnte sagen, dass ich sozusagen meistens "quer durch die Epochen dichte" und viele Kombinationen "teste". Manchmal ist das Ergebnis gelungen, manchmal nicht. Aber das weiß ich erst, wenn ich es ausprobiert habe.

Zitat:
Zitat von Falderwald:
Zitat:
Zitat von Stimme der Zeit:
Ich weiß, natürlich. Das ist ein sehr elegant gewobenes Gedicht, mit dem ich keineswegs "mithalten" kann - das möchte ich auch gar nicht. Was bei dir sprudelt, muss ich mir mühsam erarbeiten. Jeder, wie er kann. Ich habe schon immer neidlos bewundert, wie du schreiben kannst.
Dafür sehe ich eigentlich keinen Grund, weil ich denke, daß du dich lyrisch in nur einem Jahr zu einer eleganten Dichterin entwickelt hast, deren Verse durch Können und Biss zu überzeugen wissen.

Meine obigen Verse sind ganz und gar nicht gesprudelt, ganz im Gegenteil. Ich habe den ganzen Abend damit zugebracht und somit nur einen Kommi schreiben können, weshalb ich auch nach zehn Zeilen keine Lust mehr verspürte, mich auf weitere fünf einzulassen, das war ziemlich mühselig.
*Seufz* - Siehe oben. Was ich mit "Sprudeln" meinte: Dir "fliegt" vieles zu, doch, das ist so. Warum? Weil ich tatsächlich nicht neidisch bin, sondern bewundere, was du für ein Talent besitzt. Das ist viel größer als meines - und Punkt. (Diesbezüglich habe ich bereits kapituliert - aber das gehört nicht hierher. Und du würdest ohnhin wieder völlig falsch verstehen, was ich meine (wozu auch Fragen gehören)).

Zitat:
Zitat von Falderwald:
Zitat:
Zitat von Stimme der Zeit:
Schade, mir gefällt es sehr.
Ja, aber ich weiß jetzt, wie schwer das ist, vor allem für einen Metrik- und Reimfetischisten wie mich.
Aber es war eine Herausforderung, das auch einmal zu versuchen.
Ich glaube zum ersten Mal.
Doppelt schade. Was der Hexameter wirklich ist, erfordert ein "tieferes Einsteigen" in dieses ganz besondere Versmaß. Es "wirkt" nämlich erst dann so faszinierend, wenn man es "versteht".

Zitat:
Zitat von Falderwald:
Zitat:
Zitat von Stimme der Zeit:
Ja, aber darum geht es im Gedicht nicht unbedingt, sondern mehr darum, dass man sich gut "vermarktet", um Reklamesprüche (nun ja - bei Millionen Zuschauern auch eine Art "Erfolg") und darum, dass man statt zu dichten mit kurzen Wortspielereien eben im "Trend" läge. Ist aber nicht so wichtig.
Und genau das brachte ich in meinen Antwortzeilen ja auch zum Ausdruck. Im Lande der Dichter und Denker sind anstatt der schönen Lyrik und zeitloser Dichtkunst eher (gereimte) Slogans und Parolen erfolgreich.
Und gereicht das den Dichtern nicht zur Schande?

Solche Verse, wie die hier vorliegenden, finden trotz mühe- und liebevoller Bearbeitung kaum Beachtung, aber wenn du eine pfiffige Idee für einen eingängigen simplen Reim hast, kannst du den unter Umständen bis zum geht nicht mehr vermarkten.

Ich sagte doch, echte Lyrik ist eine brotlose Kunst.
Ach, brotlos ist nicht mein Problem, das war sie ja eigentlich schon immer. Von ganz wenigen, einzelnen Ausnahmen abgesehen. Dass diese "Kunst" eben "wertlos" wird, im Zuge der Zeit, das ist für mich das Entscheidende. Welche Motive bewegen heutzutage Menschen, sich mit Lyrik zu befassen oder selbst lyrische Werke zu verfassen? Gute Frage, nächste Frage ...

Zitat:
Zitat von Falderwald:
Zitat:
Zitat von Stimme der Zeit:
Ich poste die meisten meiner Übungen nicht mehr und fasse mich in Kommentaren kürzer. Wer will's schon lesen, und so gut wie du (nein, keine Ironie ) bin ich noch lange nicht, vielleicht auch nie. Ich mache weiter, aber das meiste im "stillen Kämmerlein". Mich hat der Zug der Zeit überholt.
Meine Übungen spielen sich meist im Kopf ab und die poste ich auch nicht.
Mit langen Kommentaren ist es so, daß nicht jeder und immer die Muße besitzt, sich auf so etwas einzulassen.
Das muss man von Fall zu Fall entscheiden und man kann nicht pauschal in Frage stellen, ob das gelesen sein will.
Gut sein, ist relativ.
Was heißt das schon?
Routine oder professionelles Schreiben?
Wie gut ist jemand, der noch nie Hexameterzeilen verfasst hat, auch keine Lust hatte, sich mühevoll darin einzuarbeiten, sondern sich einfach für ein Antwortgedicht des Metrikschemas der ersten fünf Zeilen von Goethes "Reineke Fuchs" bedient hat, weil er wusste, das sind Hexameter?
Und im stillen Kämmerlein war ich auch schon oft.
Der Zug muss irgendwann wieder anhalten und legt auch längere Pausen zwischendurch ein. Der fährt nicht davon...
Gegenfrage: Wie "gut" ist jemand, der Hexameter schreiben kann, ohne sich darin erst intensiv "einlernen" zu müssen? Abgesehen von "gereichet" (Versmaßgeschuldet, hm? ) hast du die Aussage und die Worte gelungen "eingefügt". Wenn ich da an meine Anfänge denke ...

Und außerdem hat "gut" nun überhaupt nichts mit "professionell" oder "routiniert" zu tun, stimmt's? Ich würde darin eher Antonyme anstatt Synonyme sehen.

So, noch etwas. Goethe beschäftigte sich ca. 10 Jahre lang mit dem Hexameter. Aber er beherrschte ihn nie wirklich, so wunderbar dieser Mann auch dichten konnte, wurde dieses Versmaß doch nie "seines". Daher kam er auch davon ab. Goethe neigte dazu (und gerade bei "Reineke Fuchs") besonders an den Versanfängen zu "schwächeln" - was er selbst zugab. Fakt: Ich weiß mittlerweile genug, um sagen zu können: Deine sind besser. Das ist keine Schmeichelei, das ist so. Der Hexameter war nie Goethes Stärke, was er selbst wusste. Er gab ihn deshalb auch auf.

Und was den Zug der Zeit betrifft: Ich bin eine Närrin, das weiß ich auch mittlerweile selbst sehr gut. Ich mag nämlich gar nicht mitfahren.

Zitat:
Zitat von Falderwald:
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Zitat von Stimme der Zeit:
So spöttelnd ist das gar nicht, lieber Faldi, jedenfalls nicht nur. Da stecken auch ein Gutteil Resignation und eine Prise Bitterkeit mit drin. Dazu muss man nur im Lyrikhandbuch 2011 lesen, das genügt.
Das ist mir nicht entgangen und doch empfinde ich die in diesem Text enthaltene Gesellschaftskritik zum Teil als beißend ironisch, denn die Seitenhiebe sind zum Teil recht kräftig ausgefallen.
Ich weiß zwar nicht, was im Lyrikhandbuch 2011 steht, aber ich kann die Resignation und die Bitterkeit gut nachempfinden, denn die Dichter sind wirklich nur noch ein relativ kleiner "verspinnerten" Haufen, der allenfalls belächelt wird.
Ich kam letztens im Getränkeshop, wo ich immer meine Cola hole, mit dem Verkäufer ins Gespräch und erwähnte nebenbei, ich schriebe Gedichte.
Mehr als ein wissend freundliches Lächeln habe ich gar nicht zur Antwort bekommen. Bitte ein Bit
Weißt du, was für mich am bittersten ist? Es geht nicht darum, dass es nur noch ein kleines Häufchen Dichter gibt (was allerdings stimmt). In den Lyrikforen gibt es tatsächlich noch Talente, große, mittlere, kleinere. Aber - wer macht etwas daraus? Ungefähr die Hälfte davon spielt lieber herum oder amüsiert sich als Forentroll. Bei der anderen Hälfte bin ich mir nicht sicher, woran es liegt.

Na ja - ich kann's nicht ändern. Das habe ich nicht nur verstanden, sondern auch eingesehen und begriffen.

Zitat:
Zitat von Falderwald:
Zitat:
Zitat von Stimme der Zeit:
Dankeschön. Aber fühl dich bitte zu nichts verpflichtet.
Nein, keineswegs. Wenn ich was schreibe, tue ich es gerne und freiwillig...
Ich danke dir für deinen ausführlichen Kommentar.

Liebe Grüße

Stimme
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