Thema: Das alte Paar
Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 07.07.2011, 21:28   #8
Falderwald
Lyrische Emotion
 
Benutzerbild von Falderwald
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 9.908
Standard

Hallo Thomas,

inhaltlich ist ja schon viel gesagt worden und die Zeilen bedürfen auch keiner großartigen Interpretation, da sie für sich sprechen.

Wir sehen hier den Idealzustand eines alten Paares, das sich im Laufe eines langen gemeinsamen und erfüllten Lebens eine vertraute Romantik erhalten hat.
Natürlich läuft es im realen Leben meist anders ab, aber solche Szenen, wie die beschriebenen in der ersten Strophe sind durchaus zu beobachten und daher recht anschaulich interpretiert.
Jeder sieht ja auch die eigene Wunschvorstellung und deutet daher gerne in diesem Sinne. Zudem macht eine solche Beschreibung auch Mut, daß es so etwas im Alter durchaus geben kann.

Formal habe ich Probleme mit den Schlusszeilen der beiden Strophen.
Der ganze Text ist sprachlich und vom Satzbau her wunderbar aufgebaut, weshalb mir der letzte Vers in S1 nicht so zusagt.
Und bei der Schlusszeile und damit der eigentlichen Conclusio bringt es den Leser bei sonst astreiner Metrik aus dem Rhythmus.

"und nichts – außer dem Tod – entzweit."
xX - XxxX - xX

Das verursacht an dieser Stelle, hervorgerufen durch den Einschub, einen Hebungsprall, denn ich kann "außer" unmöglich hier im Jambus, also xX betonen.

Ich kann nachvollziehen, daß dies eventuell beabsichtigt war, denn der Tod bringt ja auch einen entscheidenden Einschnitt, aber ich hätte es mir trotzdem metrisch rund gewünscht, weil es dann m. E. besser hängenbleibt und ästhetischer wirkt, zumal die Sprachführung einwandfrei und exzellent ist.
Das Stilmittel des metrischen Einschnittes ist eigentlich gar nicht nötig, denn das ganze Dasein ist ein runder Kreislauf, weil mit jedem Tod auch ein neues Leben beginnt - sowohl biologisch als auch für den oder die Hinterbliebenen.

Vielleicht kannst du dich ja mit den folgenden Vorschlägen einmal auseinandersetzen:

Das alte Paar

Selbst durch die kleinste Geste scheint
ein sanfter, liebevoller Schimmer,
so selbstverständlich gut gemeint,
als sei schon ewig und schon immer
der Wille und das Handeln eins,
als könne es nicht anders sein. (das ist m. E. stark genug betont, da gibt es keine Steigerung mehr. Das "gar nicht" ist "doppelt gemoppelt". Der Konjunktiv klingt hier viel eleganter.)

Bedeutungsvoll ist jeder Blick,
und alles gleich- und mitempfunden;
die Abendsonne nährt ein Glück,
das in den heißen Mittagsstunden
des grellen Tages nicht gedeiht
und nur der Tod einst noch entzweit. (Der Tod ist endgültig, denn er trennt von den Lebenden. Das "außer" ist hier also auch nicht nötig, denn durch das "nur" ist der Ausschluss schon gegeben, so daß auch das "nichts" hier nicht mehr benötigt wird. Außerdem ist somit die Doppelung von nicht/nichts der beiden letzten Zeilen auch noch beseitigt.)

Das waren so die kleinen Dinge, die mir aufgefallen sind.

Ansonsten ist das ein nettes romantisches Gedicht, was mir gut gefallen hat.

Gerne gelesen und kommentiert...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



Falderwald ist offline   Mit Zitat antworten