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Alt 31.01.2012, 16:21   #13
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Registriert seit: 07.02.2009
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Hi Justin,

ich habe dein geändertes Beispiel gelesen und die Schwachpunkte hast du schon selbst aufgezeigt.

Warum?

Weil hier der "Kadenzenwechsel" durch die Paarreime nicht wirkt.

Schau mal:

Theobald war groß und schwer - der Nasenbär, er lebt nicht mehr,
hat das ganze Zeitgeschehen - noch länger als der Mensch gesehen.

XxXxXxX - xXxXxXxX Für sich ginge das so durch.
XxXxXxXx - xXxXxXxXx Hier kommen wir schon ins Stolpern wegen der zwei unbetonten Silben in der Mitte.

Außerdem ist der Übergang von der zweiten zur dritten Zeile sehr abrupt.
Hier vollzieht sich ein Hebungsprall. Das ist natürlich alles legitim, läuft aber einem gleichmäßigen Lesefluss zuwider.

Wir haben jetzt also schon zwei Unregelmäßigkeiten, wo der Lesefluss auf jeden Fall ins Stocken gerät.

1. Die zweite Zeile endet betont und die dritte fängt ebenso betont an.
Da kommt automatisch eine kleine Pause rein.

2. Die dritte Zeile endet unbetont und die vierte fängt ebenso unbetont an.
Da kommt dann automatisch die zweite kleine Pause zum Tragen.

Denn wenn ich das jetzt alles nebeneinanderlege sieht es so aus:

XxXxXxX - xXxXxXxX - XxXxXxXx - xXxXxXxXx

Warum kommen wir hierbei ins Stolpern?

Ganz einfach, weil der Leser das Metrikschema noch nicht durchschaut hat.
Beim ersten Lesen wird es also selten zu einer richtigen Betonung kommen.

Wir wollen natürlich jetzt auch nicht päpstlicher als der Papst sein, aber für die Theorie denke ich, ist das richtig so.

Als Merksatz für eine regelmäßige Metrik beim Wechsel vom Trochäus in den Jambus könnte man vielleicht sagen:

Die jambische Zeile sollte eine weibliche Kadenz, die trochäische eine männliche besitzen.

Begründung:

Weil die jambische Zeile unbetont anfängt, sollte die vorhergehende trochäische Zeile betont enden und umgekehrt natürlich.

Wie gesagt, das ist halt nur eine kleine theoretische Metrikspielerei.

Es kommt natürlich auch darauf an, wo der Text einen metrischen Einschnitt als Sinnabschnitt gebrauchen kann.

Aber das sind alles so kleine Stilmittel, die man in der Praxis ausprobieren muss.


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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