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Alt 24.04.2017, 11:21   #15
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi EV, Thomas!

Erst mal - vielen Dank für dein Parteiergreifen, Thomas, aber ich habe mich eigentlich gar nicht gekränkt gefühlt. EV hat mE. nur nach einer Ausdrucksmöglichkeit für sein Argument gesucht, es lag ihm nichts daran, jemanden herabzusetzen, so zumindest habe ich es gelesen.

Ich verstehe EVs Standpunkt und ehrlich gesagt würde ich das "Problem" freie Lyrik auch gern entspannter betrachten können - aber es zieht mir fast jedesmal wieder die Halskabel auf, wenn ich lesen muss, WAS alles diese sog. "Künstler" heutzutage als Lyrik zu bezeichnen wagen!

Ich will nicht abstreiten, dass manch gute Sachen darunter sind, aber ich kann einfach nicht begreifen, warum dieses ständige Erneuern Müssen und Neue-Wege-Suchen überhaupt sein muss!

Die Lyrik zu Rilke's Zeit war schon ein perfektes sprachliches Ausdrucksmedium -warum das um jeden Preis (auch den der sprachlichen Schönheit und Eleganz) "weiterentwickeln"?
So sind denn auch die meisten dieser Versuche schrecklich, angefangen mit den onomatopoetischen Ergüssen eines Jandl bis hin zum "frei Abgetropften" aus dem Unterbewussten, das wild und beliebig abgeteilt hingeschmiert als der Lyrik letzter Schluss und Schrei verkauft wird!

Dieses jämmerliche Gestammel überhaupt als Lyrik zu bezeichnen, halte ich schon für eine veritable Frechheit! "Strukturierte Prosa" oder "Sprachexperiment" wäre angemessen. Aber Lyrik ist für mich etwas anderes!

Ich denke, dass Lyrik heute so ein Stiefkind der Literatur ist und kaum mehr Leser findet, liegt einerseits sicher an der Prosaisierung der Welt durch die harten Zeiten des 20. Jhdts, die Weltkriege und Wirtschaftskrisen, den wiederaufbau usw - die Leute hatten schlicht andere Probleme.
Später gab es neue Medien, Radio, Fernsehen, Kino, Internet - die neue Ablenkung und Freizeitbeschäftigung boten. Gedichte brauchte einfach keiner mehr.

Andererseits liegt es - so denke ich - auch sehr an der abgehobenen experimentalen Hirnwichserei der Poeten selbst, die auf der verkrampften Suche nach ewig "Neuem" die Leserschaft schließlich vergraulten.
Lyrik ist Schönheit und Innigkeit der Sprache, aber wenn diese Sprachspielerei zum Selbstzweck wird und einfach NICHT mehr schön ist, wenden sich viele davon ab. Genau das merkt man seit den 30er-Jahren des letzten Jhdts.

Meine Ablehnung der Moderne ist also nicht "elitär" motiviert, sondern hat triftige Gründe. Und das moderne Zeux gefällt mir schlicht und einfach auch gar nicht. Ich bevorzuge Sprachmelodie und Gleichklang. Ich höre lieber Bach und Händl als so einen "modernen" Devianztöner, der atonalen Fabrikhallenlärm produziert und das "moderne Klassik" nennt! Ich betrachte lieber einen Da Vinci oder einen Impressionisten als ein "modernes" Schüttbild, bei dem mir ein Text daneben erklären muss, wie das der "Künstler" überhaupt gemeint hat!

Und probiert habe ich alles: Ich habe sogar früher mal eine Weile abstrakt gemalt! Ich habe mir "moderne Klassik" reingezogen und versuchte objektiv zu bleiben. Ich habe moderne Lyrik gelesen. Umsonst - für mich ist das meiste davon nun mal MÜLL!


Also bitte bloß kein böses Blut meinetwegen!

LG, eKy
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Geändert von Erich Kykal (24.04.2017 um 18:47 Uhr)
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