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Alt 29.12.2014, 22:34   #6
Claudi
Senf-Ei
 
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Hi Chavi,

eigentlich wollte ich mich nur mal vortasten und herausfinden, wie Du die Verse gelesen haben möchtest. Je nach dem könnte man dann Deine Intention verstärken. Was Faldi daraus gemacht hat, ist auch eine feine Sache, scheint mir aber genau in die andere Richtung zu gehen?

Der erste Vers hat es mir angetan, auch wenn er nicht zum Kontext und auch nicht zum Rhythmus der anderen Verse passen will:

Wild häufen sich Wellen am Himmel
X || Xxx | Xx | xXx


Hier scheint mir die erste Zäsur fast stärker als die mittlere, die für den Stabreim gefordert ist. Aber der Vers selbst, jetzt mal unabhängig von Stabdikussion und Thema, ist wunderbar! Sowas Markantes würde gut zur Beschreibung einer Gewitterstimmung passen. Da steckt Power drin.

Am besten, Du sagst mal, wo es hingehen soll. Dann bleibe ich gerne am Ball.


Moin Faldi,

"Ameise" lässt sich auch gut als Daktylus lesen, keine Frage. Aber das blasse "e" am Ende in eine Betonung zu zwingen, das geht wirklich nur in einem strikt alternierenden Grundmuster, das hier nicht gegeben ist. Und auch da wäre es bei dem Wort "Ameise" hart an der Grenze des Frevels. Dass Du das "ei" von "eine" betonen willst, kann ich zur Not noch nachvollziehen, aber wirklich nur zur Not.

Ich würde mir von Dir wünschen, dass Du wenigstens mal versuchst, die Wörter 1. nach ihrer Qualität und 2. in ihrer unmittelbaren Umgebung zu betrachten. Für mich käme außer dem Hebungsprall noch folgendes in Frage:

eine Ameise aus uralter Zeit
xxXxx || xXxxX
XxXxx || xXxxX


Liebe Grüße
Claudi


EDIT:

@ Faldi, ich hatte vergessen auf die von Dir behauptete Dominanz der Silbe "häu" aus dem Verb "häufen" gegenüber dem Adjektiv "wild" einzugehen.
Zitat:
Das funzt nicht mit dem Hebungsprall. Selbst im antiken Versmaß mit langen und kurzen Silben ist "wild" kurz und "häu"-fen lang.
Es kommt zwar fast einer Hebung gleich, aber eben nur fast, da auch das Verb hier stärker als das Adjektiv ist, zumal Letzteres im Gegensatz zum Ersten auch verzichtbar für einen Satz ist.

Von der Funktion verlangt das Adjektiv die stärkere Betonung als das Verb. Das mag verwirrend klingen. Es ist zwar richtig, dass ein Adjektiv in einem Satz verzichtbar ist. Wenn es aber verwendet wird, stellt es eine besondere, näher beschreibende Information dar, die immer betont wird. Du kannst das mit zusammengesetzten Substantiven vergleichen, z.B. in Vollmond ist der Mond die wichtigere und "voll", das hier die stärkere Hebung bekommt, nur die beschreibende Zusatzinfo.

Die gesprochene Länge der Silbe ist nur ein Unterkriterium zum eigentlich Entscheidenden, nämlich der Schwere der Silbe. Nur mal grob umrissen, ist eine Silbe eher leicht, wenn sie kurze Vokale und wenige Konsonanten enthält; und schwer, wenn sie lange Vokale oder Diphtonge und viele Konsonanten enhält.

Letzteres scheint mir im Vergleich hier recht ausgewogen zu sein. Gut, man könnte sagen, die Vokallänge dominiert die Anzahl der Konsonanten. Aber das Adjektiv fordert ohne Zweifel die stärkere Betonung. Ich zeige das an einem Beispiel, in dem sich "häu" gegenüber "wild" in eine Senkung drücken lässt:

Wild häufen Wellen sich, steigen zum Himmel

Nicht, dass ich so verkorkst schreiben würde, aber das würdest Du sicherlich daktylisch lesen, oder?

Die sinngebenden Wörter, die in einem Satz eine Betonung fordern, sind genau in dieser absteigenden Reihenfolge: Subjekt, Adjektiv, Verb, Adverb. Alles andere fällt meist in die Senkungen. Aber das ist nur eine grobe Einteilung. Es kommt natürlich immer auf die Konstellation im jeweiligen Satz an.
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Rasple die Süßholzwurzel so fein, dass es staubt, in den reichlich
Abgestandenen Quark; darüber verträufele Wermut,
Bis aus dem Rührwerk, Burps! endlich das Bäuerchen kommt.

Geändert von Claudi (01.01.2015 um 16:08 Uhr)
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