Thema: Fragen
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Alt 15.12.2011, 12:13   #5
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asphaltwaldwesen
 
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puh, stimme.


ganz kurz hab ich etwas geschluckt - las ich doch "indirekt" zwischen den zeilen deiner ausführungen (da der dialog ja ein realer, nacherzählter ist, wie ich in der antwort an chavali bereits erwähnte), dass ich hier als mutter mein kind sozusagen mit meinem eigenen unbewältigten leid "vergewaltige".

nach etwas "bedenkzeit", die ich daraufhin erstmal brauchte, kann ich damit aber gefasst umgehen und dir antworten.

Zitat:
Zitat von Stimme der Zeit Beitrag anzeigen
Dadurch eröffnen sich ganz andere Sichtweisen, was den Inhalt betrifft - und zugleich erklärt sich auch der verborgene Sinn. Das LI spricht hier (unbewusst) von sich selbst.
das LI spricht hier sehr bewusst, wenn auch nicht an der oberfläche von der eigenen geschichte zum thema "schweigen" und "alleingelassen-werden", aber auch zum thema "sich selbst dadurch ins abseits stellen".

ich - als autorin und sprechende stimme habe das nicht mit dem von dir - durchaus naheliegenden - hineininterpretierten fokus der "unaufgelösten schädlichen familientradition" thematisiert, sondern von der basis ausgehend, dass diesem gespräch schon einige vorausgegangen waren, die z. bsp. themen wie "krieg", "angst" und "wieso erinnere ich mich nicht an die oma, die mit mir spazierenging, als ich ein baby war" und andere aspekte bereits soweit abgedeckt hatten. daher löst dieses gespräch nicht all die ängste und beklemmungen im kind aus, die du hier thematisierst.

das kann und sollte der text gar nicht leisten. und das wollte ich damit auch nicht. er ist ein gespräch, das als eines von vielen herausgegriffen steht. es ist ja nicht das "erste ernsthafte gespräch" zwischen mutter und kind zu ernsthaften themen. da bürdest du dem text eine last auf, die er gar nicht stemmen will oder könnte.

ganz abgesehen davon: wann sollten denn die großen themen, die kinder ab einem gewissen alter "plagen" und zu denen sie bereits fragen stellen, unverfänglicher behandelt werden, wenn nicht dann, wenn sie sich in einer entspannten atmosphäre ergeben? jeder kinderpsychologe empfiehlt genau DAS. immer wieder und wieder mal drüber reden - solange man das gefühl hat, bei genauerer beobachtung, dass es für das kind noch nicht ganz "gut" ist. und dabei eingehen auf die fragen, die das kind ähnlich schon öfter gestellt hat.

müssen wir alle mal sterben?
wie alt werde ich?
wirst du auch sicher hundert jahre alt, mama?
warum gibt es kriege?
warum ist die oma so traurig, sagt aber nichts? ist sie böse auf mich?
wird mir auch mal ein anderer mensch wehtun oder mich erschießen?

die fragen eben, die so ab dem 7. lebensjahr in den köpfen der kinder auftauchen und eher quälen, wenn sie unbeantwortet bleiben oder sehr theoretisch abgehandelt werden.

Zitat:
Zitat von Stimme der Zeit Beitrag anzeigen
Das Kind hatte weder Kummer noch Sorgen - bevor es jetzt, gerade aufgrund des Erzählten, sehr wahrscheinlich welche - hat.

Auf der anderen Seite ist es das LI selbst, das sich hier ganz eindeutig "selbst den Kummer von der Seele redet" - und, ohne es zu merken, das Kind damit belastet. Während es gleichzeitig sagt: "Versprich mir, dass du fragst." Das LI litt als Kind, meint es also gut, verursacht aber dadurch dem hier anwesenden Kind wiederum Leid - und ich frage mich, ob nicht genau das die wirkliche "Familiengeschichte" ist, um die es hier geht.
genau hier wird deine interpretation eben etwas zu voreilig. nicht, dass du falsch lägest, was das thema "tabu und schweigen in familien" angeht. doch du gehst davon aus, dass lyrICH unreflektiert mit dem kind spricht. und dass das kind eben zu manchen der themen nicht schon vorher ängste und sorgen hatte, mit denen es inzwischen schon besser umgehen kann - aber eben immer noch nachfragen muss. sozusagen, um sicher zu gehen. (siehe weiter oben).

das ist hier also gar nicht das thema des textes. obwohl es natürlich ein total spannendes thema ist, auch noch diesen aspekt von schädlichen, unaufgelösten "familientraditionen" mit hineinzubringen.

Zitat:
Zitat von Stimme der Zeit Beitrag anzeigen
Hier ist es ein erwachsener Mensch, der seine eigenen Probleme zu bewältigen sucht - und das Kind ist in genau der gleichen "hilf- und sprachlosen" Situation wie er selbst als Kind.
genau DA nimmst du etwas als gegeben, dass es zwar oft ist, aber gottlob eben nicht mehr immer und überall. das kind in diesem gespräch muss nicht zwangsläufig (und ist es auch nicht) sprachlos und hilflos sein. außer natürlich, du gehst davon aus, dass die sprechende mutter nichts dazugelernt hat und eben genau so unreflektiert handelt und die eigene erziehung weitergibt, wie du es beschreibst.



Zitat:
Zitat von Stimme der Zeit Beitrag anzeigen
Ich kann mir richtig gut vorstellen, wie sich das durch die Generationen zieht. Und es lässt mich auch überlegen, wie dem entgegengewirkt werden könnte
Denn eigentlich gibt es ja nur: Schweigen oder Reden. Da gibt es keine Möglichkeit "dazwischen".
wie? durch therapie. die ja meist erst dann in anspruch genommen wird, weil einer in der familie als symptomträger den leidensdruck nicht mehr "wegstecken" kann und daher der sache auf den grund geht, um sich zu befreien.

und es gibt zwischen schweigen und reden das zuhören, um die eigentlichen fragen hinter den fragen zu erkennen und auf diese angemessen einzugehen. wenn man das kann.



Zitat:
Zitat von Stimme der Zeit Beitrag anzeigen
Ein dickes Lob von mir, die Problematik ist hier sehr gut dargestellt!
die problematik ist weit verbreitet. allerdings. doch ich gestehe: ich habe sie hier eben nicht dargestellt. andernfalls hieße das, ich hab hier geschildert, wie ich meinem kind etwas unreflektiert in einer schädlichen familientradition aufbürde... nicht schön sowas. aber hier nicht thema.

und ich denke, du wirst verstehen, warum ich das so ausführlich und weit von mir weise - weisen muss. ich habe als kind und auch noch junger erwachsener tatsächlich sehr gelitten. exakt an dem, was du hier beschreibst und aus den zeilen herauszulesen meinst.
und aus der heutigen sicht, nehme ich wahr, dass eine ganze familie über generationen sehr gelitten hat. und noch in meiner eigenen familie weiterleidenwürde, hätte ich nicht sehr hart und schmerzenreich gerade am durchbrechen dieser "tradition" gearbeitet.

das dicke lob krieg ich hier also für etwas, das ich gar nicht geleistet hab. trotzdem danke. und ein aufrichtiges: gottseidank eigentlich!
und wäre der text nicht autobiographisch, stünde hier nicht ein derartig langer kommentar zum kommentar.

Zitat:
Zitat von Stimme der Zeit Beitrag anzeigen
Hier würde ich entweder das "doch" durch ein "aber" oder das "dennoch" durch das Synonym "trotzdem" ersetzen. Für mich klingt "doch er starb dennoch" nicht so gut.
ja. da hast du recht. übernehm ich sofort mit handkuss und dank.


lieber gruß,

fee

Geändert von fee (15.12.2011 um 12:59 Uhr)
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