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Alt 24.04.2021, 14:21   #6
MakaVeli
Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 18.04.2021
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Lieber AZ,

fast hätte ich nach den ersten zwei Zeilen auf das Lesen des Rests deiner Antwort verzichtet, die Art von Antwort kenne ich nämlich bereits. Aber manchmal ist es meiner Ansicht nach einfach raffiniert, der Versuchung nicht zu erliegen, unbedingt und mit aller Gewalt vermeintliche Raffinesse an den Tag zu legen.
Und die Annahme, dass Gedichte so sein zu hätten, ist doch eine bloße Behauptung. Du kannst dir ja mal den Text von "Ode an die Freude" im Ganzen durchlesen, im Grunde reichen ja die erste zwei Strophen schon, um zu erkennen: hier handelt es sich um einen Ab- und Spottgesang auf die Menschheit. Der Text verbirgt überhaupt nichts, eine Metaebene existiert nicht und es wird mir persönlich jedes Mal echt anders, wenn Menschen da stehen und diesen Text allen Ernstes schmettern als Lobhymne auf sich selbst. Peinlicher geht's nicht, eigentlich.
Vielleicht begründet sich die Tatsache, dass man es trotzdem tut voller Inbrunst tut begründet sich ja vielleicht auch darin, dass man da irgendwo Dinge vermutet, die eigentlich gar nicht da sind.

Ein Gedicht kann doch auch funktionieren, indem es die sprichtwörtliche Spitze edes Eisberges darstellt - wenn du in der Lage bist, alles was es betrifft, inklusive dir selber, dort unterzubringen - EBEN OHNE zu künsteln.
Die Darstellung einer Gesellschaft anhand eines Problems ist doch eine Reduktion per se, wenn das Konzentrat dazu noch bitter schmeckt, wären die Vorraussetzung für "deine" Definition eines Gedichts ja doch außerdem bereits erfüllt - und eine Metaebene gibt es immer, egal ob du nun bewusst den Inhalt auslässt beim Gesagten oder nicht.
Ich meine, die meisten Werke von Erich Mühsam, den für mich vielleicht stärksten Dichter seit Goethe, wären wohl dann deiner Ansicht nach keine Gedichte. Denn auch sie verbergen nichts und wollen und können doch auf die Allgemeinheit angewandt werden. Für Kurt Tucholsky gilt das Gleiche. Es ist im Prinzip schon auch irgendwie bezeichnend, dass gerade die beiden viel zu wenig gelesen werden (ausdrücklich will ich dazu nochmal sagen, bevor hier irgend einer auf die Ideen kommt: nein, ich will mich nicht vergleichen mit irgend einem der Erwähnten, aber würde ja nichts bringen auf Dichter zu rekurieren, deren Werke keiner kennt).

Um ganz ehrlich zu sein, muss ich dir sagen: es interessiert mich null, ob dieser Text für ein Gedicht gehalten wird oder nicht und dass diese Diskussion überhaupt geführt wird, empfinde ich persönlich schon auch irgendwie als entlarvend.
Allzu häufig ist es doch so, dass Formen und/oder Formalia (ab)verlangt werden, alleine nur schon, um Mitspracherecht zu erlangen. Und immer und in jedem Fall ist es so, dass so das eigentliche Problem unter einem Deckmantel verschwendet, wenn jemand sich bereit erklärt, dieser Forderung nachzukommen. Und damit das Problem fort spinnt, statt etwas hilfreiches beizutragen.

Fast schon bemerkenswert, dass mir in diesem Forum diese Ansicht erst jetzt begegnet. Ohne zu wissen, ob es auf fruchtbaren Boden überhaupt fallen kann: manche antiquierte Ansicht ist's vor allem wert, überdacht zu werden, einfach nur weil es einige Möglichleiten andererseits wert wären, genutzt zu werden.

Auch Sprache entwickelt sich und ich weiß nicht, ob ich es mir als elitär verkaufen könnte, angebstaubte Buchseiten in einem DVD-Player unterzubringen, nur um mich hinterher am Gedanken zu erfreuen, dass ich einer der wenigen bin, der den Film in der Lage ist zu sehen.

Ich kann nur sagen: das war'n echter Höllenritt, ganz ohne Übertreibung. Da interessieren einen vermeintlich notwendige, formale Anforderungen relativ wenig.
Wenn du den Text nicht gut oder ungenügend oder was auch immer findest, steht dir das selbstverständlich frei. Kein Problem. Aber ehrlich gesagt, weiß ich anhand deiner Aussagen nicht mal so ganz genau, wie du den Text jetzt wirklich findest. Ich kann nur sagen: das war'n echter Höllenritt, ganz ohne Übertreibung. Da interessieren einen vermeintliche, formale Anforderungen einen relativ wenig.
Wenn du den Text nicht gut oder ungenügend oder was auch immer findest, steht dir das selbstverständlich frei, aber so richtig sicher, ob du jetzt eher meinen versuchst zu kritisieren oder eher andere zu loben.

Peace

MakaVeli
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