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Alt 27.11.2011, 15:04   #2
Stimme der Zeit
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Hallo, wolo,

wenn ich mich nicht irre, gehören die beiden von dir heute geposteten Gedichte thematisch (indirekt) zusammen. Dort spricht jemand vom Verlust von Vertrauen und Glauben (bzw. deren symbolischem Tod); hier spricht das "Böse", das zwar (scheinheilig) vor sich warnt, sich aber gleichzeitig auch verharmlost. Der Minotaurus möchte sich nicht ändern, ihm tut auch nichts leid - er möchte nur erfolgreicher täuschen. Dafür müssten die verflixten Hörner weg, die ihn immer wieder "verraten".

Trotzdem habe ich an der Stelle mit "(bu!)" aufgelacht. Auch die ganze Sprache (Ausdrucksweise) und die übermittelte - wie soll ich es nennen - "Einfalt" sorgen dafür, dass das Gedicht eine Art "zwiespältigen" Humor zeigt.

Es heißt ja, das Böse wäre dumm, aber das hier nenne ich ein Paradebeispiel dafür. Seinen "potentiellen Opfern" a) eine Warnung zukommen zu lassen, b) das Vorhandensein der Hörner einzugestehen, c) zuzugeben, kannibalistisch veranlagt zu sein (ergo böse) und dazu noch d) gerade diese um Hilfe zu bitten, um seine wahre Natur besser verbergen zu können - also das ist, so wirkt es auf mich, selten dämlich. Und daher irgendwie auch beinahe "naiv", ja, fast komisch. Und im "echten Leben" immer wieder zu beobachten, oh ja!

Was das Formale betrifft: Ich weiß, du schätzt da ein "offenes Wort". Mir ist klar, dass du sehr wohl ein regelmäßiges Metrum beherrschst (auch Hexameter und Distichon, das hast du bereits gezeigt), also gehe ich davon aus, dass die hier vorhandene "Uneindeutigkeit" beabsichtigt ist. Bei mir macht es allerdings einen Teil der "Wirkung" eher zunichte, geb ich zu, irgendwie und durchaus, nein, nicht animalisch, ehrlich.

Zitat:
guten tag! wie ich heisse, tut eigentlich gar nichts zur sache. XxXxxXxxXxxXxxXx - hier ist "tut" mit zwei harten Konsonanten ein Wort, das ich unwillkürlich betonen möchte
doch ich warne Sie: hüten Sie sich, denn ich trage die hörner XxXxxXxxXxxXxxXx - das gilt auch für das "Sie" als Personalpronomen, mitbedingt durch die Großschreibung
nicht vergebens und bring sie nicht los, ganz egal, was ich mache. XxXxXxXxXXxXxxXx / mit Biegen: XxXxxXxxXxxXxxXx
hab schon alles versucht, auch mit neuestem hornhautentferner. XxXxxXXxXxxXxxXx - das Komma wirkt als Zäsur, "auch" kann betont werden, das bringt's durcheinander / oder so: XxXxxXxxXxxXxxXx

ich ernähre mich immer und ausschliesslich nur kannibalisch, XxXxxXxxXxxXxxXx
während andre, genügsamer, kauen gemüse und körner. XxXxxXxxXxxXxxXx - die Betonung passt, aber die Inversion ist gruseliger als der Minotaurus ...
das ist auch, geb ich zu, irgendwie und durchaus animalisch. XxXXxXXxXxXxXxXx - Kommas sind Zäsuren, die einen unzulässigen Spondeus (umgangssprachlich "Hebungsprall") verhindern, hier heißt es wieder "so oder so": XxXxxXXxXxXxXxXx
aber i c h mag halt einfach ein frisches stück menschenfleisch gern! (bu!) XxXxXXxxXxxXxXxX - das liegt einfach daran, dass ich in keinen eindeutigen Rhythmus bzw. Takt hineinfinde und an der betonten Schreibweise von "i c h" ... / XxXxxXxxXxxXxxX-X

darum wend ich mich nun mit der frage an Sie, werte leser, xXXxxXxxXxxXxxXx / xXxXxXXxXxxXXxXx / xXxXxXxxXxxXxxXx / xXXxXxXxXxxXXxXx - *seufz*
ob sich einer erbarme und gütig mir schreibe, sofern er XxXxxXxxXxxXxxXx - *seufz* - unbetonte einsilibige Worte am Versende sind ein "Regelbruch", bitte nur in "echten" Humorgedichten
eventuell da sich auskennt und zufällig weiss, wie das böse xXxXxxXxxXxxXxxXx - also ich spreche "eventuell" eindeutig xXxX und nicht XxxX aus, kann aber mein Irrtum bzw. eigener Fehler sein, ist vielleicht regional bedingt, da half mir der Duden aber auch nicht weiter ...
retuschiert werden kann, zum verschwinden gebracht und ich schöner. XxXXxXxxXxxXxxXx - mit Biegen: XxXxxXxxXxxXxxXx
Mich schmerzt das irgendwo, denn ich bin, was Gedichte betrifft, Ästhet. Ich gehe von der Ansicht aus, dass gerade die Fähigkeit, mittels eines Gedichts etwas u. U. sehr Häßliches gerade durch Schönheit zu "transportieren", dieses um so deutlicher (durch den Widerspruch) "entlarvt", als das, was es ist. Und ein absichtlich fehlerhaftes bzw. uneinheitliches Metrum - das ist für mich schwer zu verkraften. Bei einem echten Nicht-Könner bzw. völligen Anfänger verdrehe ich die Augen, zeige es auf und hoffe, dass der oder die Betreffende noch lernen wird. Aber wenn ein "Könner" das macht, bekomme ich "geistige Zahnschmerzen", tut mir leid ...

Mein Problem ist hier, dass ich mir das Ganze zwar in bewusster Absicht größtenteils "zurechtlesen" kann, aber mir gefällt eine solche "Uneindeutigkeit" bzw. "Uneinheitlichkeit" eben nicht sonderlich. Ich lese, und ich finde den "Takt" nicht, sondern muss "bewusst zurechtbiegen". Wobei: Ich sage nicht, dass das Metrum wirklich schlecht ist, aber gut ist es auch nicht. Irgendwie "nicht greifbar".

Also stehe ich diesem Gedicht sehr "zwiespältig" gegenüber. Inhaltlich finde ich es eine feine Sache, metrisch eher das Gegenteil. Trotz der Übereinstimmung (die mich absichtlich das Wort "zwiespältig" zwei Mal verwenden ließ), "wirkt" bzw. "zündet" es nicht so, wie es soll, wenn du verstehst, was ich meine.

Von daher also gerne und ungern gelesen.

(Auf deinen eigenen Wunsch hin offen und direkt. )

Liebe Grüße

Stimme
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