Thema: Die Kerze
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Alt 05.02.2018, 15:26   #8
Sufnus
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Zitat von Chavali Beitrag anzeigen
Mir ist, als ob die Flamme lächelt,
der Widerschein ein Blinzeln ist.
Will sie mir sagen, dass auf Erden
das Leben nur geliehen ist?

Sie verbreitet jene zarten Düfte
nach Orangen, süß und schwer.
Schweben Worte durch die Lüfte?
Ich lausche diesem Flammenmeer.


Ich mag die Kerzenidee und hoffe doch sehr (und mit gutem Grund), das schöne Gedicht erweist sich als Zerredungsresistent. In diesem Hoffnungsgeist gieß ich auch noch etwas Kerzenwachs in die Flamme.

Ich find die jambotrochäische Mischung und den etwas naiven (hier überhaupt nicht negativ zu verstehen!) Ton der Reimwortdopplung eigentlich sehr fein (unbenommen Erichs schönem Vorschlag, der formal mehr aus einem Guss ist, aber für mich ganz subjektiv ein ganz klein bisschen weniger Wärme ausstrahlt).

Ein paar Formulierungen, finde ich, könnten aber noch ein bisschen überdacht werden:

"dass auf Erden / das Leben nur geliehen ist.": Das klingt für mich noch etwas zu konventionell. Da der Verzicht auf durchgängigen Reim hier große formuliererische Freiheiten schafft, gäbs vielleicht noch schickere Wendungen? Vielleicht etwas wie: "dass uns beiden / das Leuchten nur geliehen ist."?

"jene zarten Düfte": Da kämpf ich etwas mit dem "jene"; für sich alleine (also ohne korrespondierendes "diese") dastehend verbreitet das für mich häufig eine leicht raunende Verschwurbeltheit, weil es eine gewisse räumliche, zeitliche oder inhaltliche Distanz ausdrückt, es noch auf etwas Ungesagtes, beim Leser Vorausgesetztes, verweist. Dieses Unausgesprochene kann einen Text natürlich manchmal auch poetisch etwas aufladen, hier klappt das für mich nicht so richtig. Also mir würden z.B. "verbreitet solche zarten Düfte" oder "verbreitet lockend-zarte Düfte" besser gefallen.

"süß und schwer": Das schwer reibt sich für mich etwas mit dem zart. Ein in hoher Konzentration schwerer Duft kann in ausreichender Verdünnung sicher auch zart sein, aber kann er gleichzeitig zart und schwer sein? Das ist natürlich hier ein kitzliger Punkt, weil er das Reimpaar "schwer-Flammenmeer" berührt, aber siehe nächster Punkt.

Beim "Flammenmeer" bin ich nämlich auch nicht ganz sicher: Eine einzelne Kerze ist für mich noch kein Flammenmeer. Hier also ein Vorschlag, der das süß & schwer mitsamt dem Flammenmeer beackert: "Nach Orangen süß und fein / Schweben Worte durch die Lüfte? / Sachte tanzt der Kerzenschein." oder auch als Schluss etwas wie (wenn der finale Jambus erhalten bleiben soll): "ich schau und lausch dem reinen Schein." (bei Bedarf auch mit weniger Lautmalerei ).

Nichtgeachtet dieser Weitschweifigkeiten ein sehr viel Spaß gemacht habendes Gedicht!
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