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Alt 17.02.2009, 20:59   #4
Klatschmohn
MohnArt
 
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Die Nacht zu Aschermittwoch

Es war ziemlich kalt. Der Weg war rutschig. Sie trug glücklicherweise noch die Schnürschuhe, die sie immer anzog um sicherer Auto fahren zu können. Keine Pumps, die hatte sie im Koffer. Sie war auch froh über ihren dicken Wintermantel. Ohne den hätte sie sich vermutlich den Tod geholt.
Die beiden zogen sie wortlos weiter in den Wald hinein. Die Frau ging voraus, sie schien sich auszukennen. Auch ihr leichter Dialekt schien sie als ortskundig auszuweisen. Mit klein gehaltener Taschenlampe leuchtete sie den Weg aus. Mittlerweile hatte die Frau sie untergehackt. Komisch, es war ihr nicht einmal unangenehm.
Der Weg verlief leicht bergauf. Zuvor waren sie an einem Bach entlang gegangen. Das hatte sie am Rauschen bemerkt. Dann gingen sie über eine schmale Brücke aus dünnen Holzstämmchen, die unter ihrem Gewicht bedenklich knackten.


Es ging immer weiter bergan, schließlich kam wieder ein Bach, den sie auf einer ähnlichen Brücke wie der ersten überquerten. Im dichten Tannenwald war es stockdunkel. Sie traten auf eine Lichtung hinaus. Der Mond schien nun. Vor ihnen lag schimmernd ein See.
Am gegenüberliegenden Ufer lag eine kleine Hütte, deren Wellblechdach im Mondlicht leuchtete. "Es hat keinen Zweck", sagte die Frau. "Es ist zu dunkel, ich war einfach zu lange nicht mehr hier." Der Mann fluchte leise. "Wir bleiben dort in der Hütte bis es hell wird", befahl sie. Sie wanderten im Licht des Mondes um den See herum. Als die Frau sie kurz losgelassen hatte, rutsche die alte Dame aus und wäre fast in das Wasser gefallen. Die Schuhe wurden nass. Sie hockte sich auf einen glatten Stein und war dem Heulen nahe. "Weiter geht´s", sagte der Mann barsch und nahm sie an die Hand.
Er brach die Türe auf und schob sie hinein. Die Frau schloss die Türe und legte den Riegel von innen vor. Mit der Taschenlampe konnten sie nun die spärliche Einrichtung ausmachen. Eine Sonnenliege aus orangefarbenen Tuch stand in der Ecke. Die Frau klappte die Liege auf und bedeutete ihr darauf Platz zu nehmen. Sie zog ihre nassen Schuhe aus. Vollkommen erschöpft und verkühlt legte sie sich hin, zog die Beine an und kuschelte sich in ihren Mantel. Der schwarze Kaschmirschal war unterwegs irgendwo verlorengegangen.
Die Beiden tuschelten unterdessen wie es weitergehen sollte. Sie vernahm noch das Wort Ransbach-Baumbach, dann schlief sie vor Erschöpfung ein.
In der Nacht wachte sie auf; der Mann telefonierte mehrfach. Dann hockte er sich mit dem Rücken zur Wand neben die Türe. Er schien zu ruhen. Die Frau saß auf einem der allgegenwärtigen billigen weißen Plastikstühle und hatte die Beine an die Wand gestemmt. Schlief sie?
Die alte Dame dachte daran zur Türe zu schleichen und einfach in den Wald zu rennen, aber sie kannte sich hier nicht aus. Es war wohl sinnlos. Außerdem würde sie es nicht schaffen unbemerkt an den Beiden vorbeizukommen. Die Vorstellung, die Nacht alleine da draußen verbringen zu müssen, war auch nicht verlockend. Sie versuchte wieder einzuschlafen.

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Geändert von Klatschmohn (18.02.2009 um 13:55 Uhr)
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