Thema: Neue Wege
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Alt 12.07.2011, 19:29   #3
Stimme der Zeit
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Hallo, liebe larin,

über dieses Gedicht von dir bin ich tatsächlich rein zufällig "gestolpert", als ich einen Titel anklickte. Wie es so ist, blieb ich dann "hängen".

In diesem Fall möchte ich es als "Ganzes" betrachten, da der Inhalt doch sehr miteinander zusammen hängt.

Ein Mensch für sich alleine, das hat mit der Zeit wirklich genau den von dir in Strophe 1 aufgestellten Effekt. Das Denken beginnt sich in immer engeren Grenzen zu bewegen, da es an Anregungen fehlt. Daraus entwickelt sich, sollte es sich über lange Jahre hin nicht ändern, die sogenannte "Eigenbrötlerei". Wir sind von der Natur nicht für das Alleinsein geschaffen. Der Mensch ist ein soziales Wesen, er benötigt Kontakte.

Ein "Du" kann sehr viel kompensieren, es bringt wirklich "frischen Wind" in eine "kurzgeschlossene" Gedankenwelt. Ist es nicht doch so, dass jede neue Erfahrung, jeder Kontakt besser ist, als gar nichts? Vielleicht ist es nicht die "ganz große Sache", es kann sowohl Freude als auch Schmerz verursachen, aber trotzdem ...

Besonders schön ist es natürlich, wenn eine "liebevoll gereichte Hand" auftaucht. Das muss sogar nicht unbedingt Liebe sein, auch eine Freundschaft kann sehr viel geben.

Der Inhalt der letzten Strophe ist anders als in den beiden vorherigen. Ich-Du-Wir (Spiegelbilder?) "Spiegeln" wir uns in anderen wider? Menschen können einander Fluch und Segen sein, das ist wahr.

Das Metrum ist interessant. Die Verslängen variieren teilweise stark (von 2 bis zu 4 Hebungen), aber da du den Jambus durchgehend beibehältst, ist es dennoch rhythmisch aufgebaut und flüssig zu lesen. Mit den Endreimen, vermute ich mal, "spiegelst" du auch den Inhalt der jeweiligen Strophe. Die erste Strophe hat 4 Verse, aber nur zwei reine Reime. Kreis und kurz ist eine versübergreifende Alliteration. "Reimt" sich das Denken des alleine lebenden LI nicht "ganz"? Es gibt wohl einige "Ungereimtheiten". Im Übergang von Strophe 1 zu Strophe 2 zeigt sich das in Großbuchstaben hervor gehobene "DU" so als etwas besonders Wichtiges.

Strophe 2 hat 5 Verse. Der 1. Vers hier ist noch eine "Waise", es gibt keine Entsprechung. Der Wind muss zuerst wehen, bevor er den "Staub" irgendwann fortgeblasen hat. Dann folgt ein Kreuzreim, mit je 2 reinen Reimen. Ich und DU.

Strophe 3 hat wieder 4 Verse. Dort zeigt sich das "wir". Im Spiegelbild erkennen wir uns selbst. Um einander das Leben zu erhellen oder zu zerstören. In dieser Beziehung können wir nur hoffen und glauben - aber nichts sicher wissen. Hier reimst du zusätzlich mit Alliterationen und Assonanzen in den Endreimen, denn im Sinne von "wir" gehören beide jetzt auch zusammen.

Stilistisch und formal finde ich es eine "feine" Arbeit. Dickes Lob von mir!

Sehr gerne gelesen, interpretiert und kommentiert.

Liebe Grüße

Stimme
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