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Alt 23.05.2013, 08:59   #3
a.c.larin
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Samstag, 4.Mai

Die Nacht war kurz, dennoch weckt mich das erste Morgenlicht unbarmherziger Weise – oder ist es die Neugierde, die da wieder Mal für Unruhe sorgt? Gleichwie – jedenfalls hänge ich schon um 6Uhr 15 am Fenster und sauge mit Erstaunen und Wohlgefallen die Bilder auf, die dort draußen an mir vorüberziehen. Hier sieht es ähnlich aus wie bei uns in der Wachau: Bewaldetes Hügelland mit kleinen Häusern am Ufer – wirkt idyllisch, gefällt mir sehr gut.
Ja, wo bin ich denn nun eigentlich?
Ich muss leise sein – meine bessere Hälfte schläft noch.
Wieder studiere ich mein schlaues Buch und berechne anhand der Kilometerkarte unsere ungefähre Position. Ich tippe auf „nahe bei Verocemaros“, also kurz vorm so genannten „Donauknie“: Hier ändert der Fluss seine Fließrichtung von West –Ost nach Nord –Süd.
Schade, an Esterzergom, der ersten Hauptstadt Ungarns und Königssitz der Arpaden, sind wir im Dunkeln vorbei gefahren.
Noch ist der Himmel Wolken verhangen, aber zum Glück regnet es nicht.
Die unsrigen daheim sind gestern noch nass geworden. Aber wir Engelein auf Reisen natürlich nicht!
Vor dem Frühstück steigen wir kurz aufs Sonnendeck hinauf und tanken Frischluft. Diese wird uns in Form eines kühlen Lüfterls um die Nase geblasen – 11 Grad bei Wind machen rasch auch die verschlafenste Schlafmütze putzmunter! Gut dass wir unsere Windjacken mitgenommen haben, und auch mein Schaltuch kommt zu wohlverdienten ersten Ehren.
Anschließend geht’s in den Speisesaal, wo sich schon die Tische biegen: Das Frühstücksbuffet ist vielfältig und reichhaltig. Die einzige Schwierigkeit, die man hier haben kann, ist, sich ja nicht zu viel auf den Teller zu laden! Aber ach – die Verführung lauert an allen Ecken…..

Ein wenig später hat die Sonne Morgenputz gemacht und sämtliche Flussnebel gelichtet. Um 8 Uhr 45 erreichen wir mit 30 Minuten Verzögerung Budapest und machen uns bereit für unseren ersten Landgang.
Unserer Führerin heißt Judith ( nicht Julischka, wie sie uns lachend erklärt) und füttert uns blitzartig mit einer Fülle an Informationen. Budapest, die 2 Millionen-Stadt, besteht eigentlich aus 2 Städten: Dem hügeligen Buda am rechten Donauufer und dem flachen Pest zur linken Seite. Und man solle doch bitte den Ungarn einen Gefallen tun und Pescht sagen, denn so wäre es richtig.
Geplant ist zunächst einmal ein Rundgang im Parlament, ein neugotischer Prachtbau direkt an der Donau gelegen, der eigentlich wie ein Palast aussieht. Wir werden darauf hingewiesen, dass Handgranaten, Messer, Säbel, Pfeffersprays „und andere Dinge des täglichen Bedarfs“ nicht ins Parlament mitgenommen werden dürfen – es gäbe da Sicherheitskontrollen wie auf einem Flughafen. Mein Bedauern hält sich in Grenzen – und meine Nagelfeile ist sowieso daheim geblieben.
Nachdem wir allesamt gründlich durchleuchtet worden sind, dürfen wir die prunkvollen Räume betreten. Auch hier wird alles streng bewacht. Über die Feststiege geht es zur Stephanskrone: Marmor und Blattgold, wohin das Auge schaut!
Dementsprechend monströs ist auch der genanten Preis: Angeblich soll das gesamte Bauwerk
32 Millionen Golddukaten gekostet haben. Na, wenn mans halt grad in der Portokassa hat…..
Die Stephanskrone selbst wird unter einem riesigen, weit über ihr baumelnden Kronleuchter aufbewahrt, der sicher einige Tonnen schwer ist.
Hier möchte man eigentlich nicht Elektriker sein und die Lampen wechseln müssen!

Links und rechts der Krone sind zwei Wachtposten stationiert, die nach einem strengen Ritual alle paar Minuten irgendwelche Appelle ausrufen und dann den Platz wechseln. Sie verziehen keine Miene, als wir vorbeigehen und sie genau betrachten.
Da trippeln wir schon lieber weiter – über Europas größten handgeknüpften Teppich (etwa 14. Millionen Knoten) in den prunkvollen Sitzungssaal. Unter den Fresken an der Wand findet sich auch eines von Kaiserin Maria Theresia. Diese Österreicherin dürfte in Ungarn sehr beliebt gewesen sein. Ja, und dann natürlich Erszebeth – unsere „Sissy“. Nicht umsonst ist die Elisabethbrücke eine wichtige Pulsader der Stadt.

Unsere Stadtbesichtung führt uns weiter über breite Prachtstraßen vorbei am Hauptbahnhof (von Gustav Eiffel gebaut) zum Heldenplatz. Dort steht ein hoch in den Himmel ragender Heiliger Gabriel mit der Stephanskrone. Ein Psychoanalytiker würde vielleicht sagen: Jede Kultur hat ihrePhallussymbole! (Es wird nicht das letzte sein, das wir auf dieser Reise zu Gesicht bekommen.)
Zu Füßen des Heiligen Gabriel gibt es ein Denkmal des unbekannten Soldaten, links und rechts wird der Platz eingesäumt vom Kunsthistorischen Museum und der Kunsthalle.
Wir dürfen für 10 Minuten den Bus verlassen, um zu fotografieren, sollen aber, bitte schön,
ja keinen Satz „Original Schweizer Messer“ von den Straßenhändlern kaufen -
man bekomme sie ja schon um 10 Euros im Supermarkt!

Östlich des großen Platzes liegt der wunderschöne Stadtwald, in dem sich der Tiergarten, die Burg Vajdahunyad und ein Vergnügungspark befinden. Im Winter wird der künstliche See vor der Burg zum Kunsteislaufplatz. Nahe dem Wasserschloss befindet sich auch das Thermalbad Szeghenyi, das mit seiner, aus Kollonaden gebildeten barocken Fassade, schon ein recht schöner Anblick ist.

Schließlich fahren wir über die Kettenbrücke auf die andere Flussseite, nach Buda.
Dort spazieren wir auf dem gepflasterten Burgberg gemütlich zur Matthiaskirche. Im 13. Jahrhundert von König Bela IV. gegründet, überragt sie mit ihrem neugotischen Turm die ganze Stadt. Von der Bergseite, die durch ein Bollwerk aus Zinnen und Türmen verziert ist, haben wir einen herrlichen Blick auf das gegenüberliegen Pest.
Kaiserin Elisabeth hat einmal diese Kirche besucht – nicht aber Romy Schneider, wie der Film es vorgibt. Trotzdem wollen aber alle Touristen ganz genau wissen, wo „Sissy“ einmal war.

Mittlerweile heizt uns die Sonne ordentlich ein und wir kommen bei 25 Grad Lufttemperatur schon ganz schön ins Schwitzen.
Um 12 Uhr 30 heißt es schließlich: Leinen los! Wir verlassen Budapest, nicht ohne noch einen Blick zu werfen auf den Gellert-Hügel und das Gellert –Denkmal, sowie das im Jungendstil erbaute Gellert –Bad.
Auf dem Gellertberg (benannt nach dem Hl. Gerhard, einem italienischen Missionar), befindet sich auch die Zitadelle und das 14m hohe Befreiungsdenkmal, eines der wenigen Sowjetdenkmäler, das nach 1989 stehen geblieben ist.
Ein Psychoanalytiker würde jetzt vermutlich sagen…….

Um 13 Uhr finden wir uns im Speissaal ein und lassen es uns diesmal bei Broccolisuppe, Hühnerfrikassee mit Reis und Creme noir de cafe gut gehen. Einen Gang haben wir wieder ausgelassen – wie machen das bloß all die andern Leute?

Obwohl es ein wenig schade ist, übermannt uns erneut die Müdigkeit und wir machen für anderthalb Stunden Kabinenpause. All die vielen Eindrücke müssen einfach verarbeitet werden!


Fortsetzung folgt!
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Cogito dichto sum - ich dichte, also bin ich!
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