Thema: Das alte Lied
Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 27.10.2018, 11:09   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard Das alte Lied

Die Bühne ächzt, die gleichen Puppen tanzen
seit abertausend Jahren ihre Kreise.
Gesichter wechseln zwar im großen Ganzen,
jedoch die Rollen nie, und deren Weise

darf sich nur unbelehrbar wiederholen,
in Wahn und Irrtum eisern zementiert,
und Gut und Böse gleichen blinden Polen,
erreichbar nie, doch immerfort zitiert.

Die Bühne ächzt, man zieht sich endlos weiter,
auch wenn man lange schon die Schritte kennt.
Die Wenigen, gereifter und gescheiter -
sie sind die Ketzer, die man heiß verbrennt.

Die Bühne ächzt, die Balken stöhnen müde,
doch alle Puppen trampeln viel zu laut,
und ohne Zeichen wächst die Attitüde
der Tänzer weiter, die kein Morgen schaut.

Im Grunde wissen alle, wie es endet,
und dennoch müssen alle weiterhetzen -
kein Einvernehmen, das die Karten wendet,
kein Innehalten lindert das Entsetzen.

Die Bühne ächzt, die gleichen Puppen tanzen
seit abertausend Jahren ihre Kreise.
Ich tanze nicht und packe meinen Ranzen
und schleiche von der Bühne, leise, leise ...
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten