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Alt 13.01.2013, 12:10   #4
Thomas
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Hallo Falderwald und fee,

ich hoffe es stört euch nicht, wenn ich an euch gemeinsam antworte. Ich denke, das ist gut und kürzer so, weil fee schon genau in der Art geantwortet und weitergeführt hat, wie ich es getan hätte.

Gegen die Verlegung des Themas habe ich nichts einzuwenden. Es ist da ohnehin nur gelandet, weil ich nicht wusste wohin damit und mir nichts Besseres einfiel.

Ich finde es interessant, dass die Frage des Computertextes, welchen ich eigentlich nur zur Verdeutlichung erwähnt habe, besonders aufgegriffen wurde. Wahrscheinlich bringt es die Frage nach diesem schwer zu definierenden Etwas auf den Punkt.

Aber zuvor muss ich Faldwalds Frage beantworten, ob ich einem von ihm auf die beschriebene Weise "computergenerierten Text von vorneherein absprechen würde, ein lyrischer Text zu sein."

Höchstwahrscheinlich ja, obwohl ich das wahrscheinlich nicht so im Forum schreiben würde, weil ich versuche nur Kommentare zu schreiben, die konstruktiv sind.

Ich habe übrigens ein solches Experiment schon gemacht. Nicht im Forum hier! An dem mit einem Programm simpelster Art erzeugte Produkt wurden besonders die "eigenständigen Einfälle" und das "Meistern des poetischen Ausdrucks" gelobt.

Die Frage kommt aus der Diskussion der Künstlichen Intelligenz, wobei sie als Definition für das Vorhandensein von KI benutzt wird. Diese Definition ist meiner Meinung nach wissenschaftlich recht unbrauchbar, weil sie ersten keine Idee des Begriffs gibt und zweitens von anderen Definitoinen, z.B. was ist eine Unterhaltung, ein Gedicht etc. abhängt. Wenn ich z.B. Gesundheit als Abwesenheit von Krankheit definiere, ist das vielleicht für den Klinikalltag praktikabel, aber es gibt keine Idee von Gesundheit und zweitens hängt Alles von der Definition von Krankheiten ab.

Um es kurz zu machen, die Antwort ob ein Computertext als Poesie erkannt wird, hängt davon ab, was der Antwortende unter Poesie versteht. Vor vielen Jahren stieß ich auf eine Untersuchung, bei der Testpersonen Gedichte und Computerlyrik vorgelegt wurden, wobei keine statistisch relevante Unterscheidung getroffen werden konnte, welche Texte vom Computerprogramm stammen. Fazit: Computerlyrik ist nicht von menschlicher zu unterscheiden. Als ich mir die Gedichte angesehen habe, war mir auch klar warum. Es waren ausnahmslos Texte der modernen Lyrik. Da verstand ich das Ergebnis. Es ist jedenfalls kein Beweis für KI.

Um dein Frage zu beantworten, muss ich also zuerst die Frage beantworten: Was ist Lyrik? Was zeichnet Poesie wirklich aus?

Friedrich Schiller sagte: "Spricht die Seele so spricht ach! schon die Seele nicht mehr."

Es lassen sich entsprechende Stellen anderer Dichter finden, die wussten worüber sie bei dem Begriff Poesie sprachen, dieses hier scheint mir jedoch besonders kurz und gut geeignet.

Der Satz "Spricht die Seele, so spricht die Seele nicht" ist natürlich ein Paradox. Durch die Hervorhebungen die Schiller in dem Text macht und die Worte welchen einen zeitlichen Übergang andeuten, wird er zu eine tiefen Wahrheit für die Poesie.

Das wesentliche der Poesie ist meiner Meinung, dass sie genau auf dem von Schiller markierten Grenzpfad zwischen Emotion und Geist das Unaussprechliche aussprechen kann, d.h. etwas logisch nicht Aussprechbares. Es ist nicht der Inhalt an sich, es ist nicht die Form, sie ist nur notwendig damit verbunden, weil etwas gebraucht wird, das über die Sprache an sich hinausdeutet (Deswegen sind die sogenannten freien Formen meiner Meinung nach so problematisch). Es ist schwer zu erklären, aber jeder der sich selbst schon beim Niederschreiben eine poetischen Idee erwischt hat, die so schön ist, dass er weinen musste, weiß vielleicht, was ich meine.

Mir ist bewusst, dass ich damit erst einmal sehr radikal einen Großteil dessen, was als Poesie daherkommt, ausschieße. Auch viele meiner eigenen Gedichte. Das ist aber nur nötig, wenn ich mir Klarheit über das Wesentliche machen muss. Ist das klar, dann kann ich wieder lockerer an die Sache herangehen, genauso wie ich mich an Produkten des Kunsthandwerks erfreue, ohne sie mit den Werken der größten Maler vergleichen zu müssen.

Also nochmals zur Frage zurück. Wenn ein Künstler einen Computer zur schöpferischen Art nutzt, dann ist das meiner Meinung nach im Prinzip kein Unterschied zu der Feder und dem Papier, oder der Tastatur und dem Bildschirm. Das Werkzeug selbst wird niemals schöpferisch tätig, auch wenn es aus einem riesigen "Netz" besteht, dem von manchen "Intelligenz" zugeschrieben wird.

Hoffentlich kommen noch viele Ideen zu meinem "Definitionsversuch" (der übrigens für mich selbst aufgeschrieben wurde, und eigentlich gar nicht für das Licht der Öffentlichkeit bestimmt war) hinzu.

Liebe Grüße
Thomas

P.S.: Wenn es doch wenigstens ein Computerprogramm gäbe, welches absolt sicher verhindert, dass Erich in meinen Texten keine Rechtschreibe- und Satzzeichenfehler mehr findet!
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© Ralf Schauerhammer

Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller

Geändert von Thomas (13.01.2013 um 12:14 Uhr)
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