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Alt 13.01.2013, 14:54   #5
Dana
Slawische Seele
 
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Registriert seit: 07.02.2009
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Hey, hey, was läuft denn hier?
Ein feines Thema - außerdem wusste ich nicht, dass es solche Programme bereits gibt.

Ich neige dazu, dem "modernen Zeug" nicht sofort mit Misstrauen zu begegnen, aber nicht deshalb, weil ich "jung und offen" bin, sondern, weil ich mich an die "lieben, ständig nörgelnden Alten" erinnere, denen ich in jungen Jahren die Bereitschaft abgesprochen habe, zu hören, zu schauen, zu probieren und dann erst zu (ver)urteilen. Also habe ich mir einen Hauch der Bereitschaft erhalten, evtl. nur aufgrund einer eigenen Erfahrung, die ich hier demonstrativ zur Schau stelle.

Die künstliche Intelligenz greift und schreitet fort. Sie wird sich auch in der Lyrik platzieren, davon bin ich überzeugt. Ob sie auf Jahrzehnte überzeugt, das wird und soll sich erst zeigen. Wahrscheinlich werde ich es nicht mehr erleben.
Wenn man bedenkt, was heute mit einem "Klick" gemacht werden kann und was für unsere Vorfahren undenkbar gewesen ist, dann muss man schon staunen, wobei ich hier auch Technik einschließe.

Z.B. waren sich anfangs alle einig, dass die vom Bäcker einst von Hand gebackenen Brötchen viel besser schmeckten, als die machinell hergestellten.
Unsere Kinder wissen gar nicht mehr, dass man ohne Maschine Brot und Brötchen backen kann. (Na ja, vielleicht nicht ganz.)
Ich kann auf jede gestellte Frage per Klick eine Antwort bekommen, in Sekunden und unendlich ausführlich.

In 30 Jahren gibt der Enkel meines Sohnes per Klick Informationen über seinen Großvater ein, um ihn mit einem Gedicht zu ehren. Ich kann mir schon vorstellen, dass dieses Gedicht gut, bis sehr gut werden kann, ohne dass es beginnt: "Kaum zu glauben, aber wahr ...."
Und nun die Feier selbst. Der Kuchen wird geliefert, prachtvolle Torten, Kleingebäck und allerschönste Deko.
Dazwischen wird ein selbstgebackener Kuchen aus Urgroßmutters Zeiten präsentiert, von Jaqueline, die inzwischen 75 Jahre alte ist.
Sie wird ganz sicher viel Lob bekommen, weil sie es noch kann und viele werden zugreifen, weil es ein besonderer Kuchen ist. Vielleicht wird man nicht einmal abwägen, ob dieser Kuchen auch besser schmeckt. Auf die prachtvollen Torten wird man sich bestimmt stürzen.

Die Lyrik nimmt sich da nicht aus. Sie lebt, weil Menschen sehr individuell sind. Jeder hat so seine "Eigenarten" und manche dichten eben. Wie gut und wie schlecht, kann man lesen. Wie sie mit der gemeinsamen Eigenart miteinander auskommen, auch.

Eines bleibt zu fürchten:
Wenn es bald computergesteuerte Lyrik gibt, dann wird sich jeder Dichter sehr, sehr anstrengen müssen, um diese unfehlbare Technik per Kopf und Tastatur zu übertreffen.

So wie Thomas bereits schrieb, waren Leser dieser Gedichte voll des Lobes, d.h. sie waren irgendwo beseelt, zumindest kamen sie so an.

Das Hobbydichten und große Dichtung werden deshalb nicht "aussterben", weil wir eben individuell gepoolt sind.
Selbst wenn die künstliche Intelligenz die Welt einmal lyrisch überrollt, stelle ich mir vor, dass sie immer und immer wieder in Mode kommt, bzw in Abständen "in" sein wird, und zwar weil hand- und hirngemacht.

Aber auch Faldi sagte schon richtig, dass die Programme erst vom Hirn gefüttert werden müssen.

Wie man "gute Lyrik" definiert, weiß ich nur für mich selbst, und zwar für mein Empfinden. Dabei urteile ich hauptsächlich nach Berührung, die ein Text auf mich ausübt und erst danach betrachte ich Reim, Klang und Ausdruck.
Eine allgemeine Definition scheint nicht möglich, dass erkennt man schon am Streit, wer wirklich ein guter Dichter ist oder gewesen ist. Man hat seine Lieblingsautoren, unter den Großen Alten, seinen Lieblingsdichter.

Ja, ein interessantes Thema, lieber Thomas. Das Nachdenken und Reden machen Spaß. Wir müssen ja nicht zu einem Ergebnis kommen.

Liebe Grüße
Dana
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
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