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Alt 30.04.2011, 00:21   #22
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Moin Erich,

ich denke, das Problem liegt woanders.
Wir können nur in endlichen Begriffen denken, weil wir in der Zeit existieren, welche die Abfolge alles Geschehens darstellt. Mit diesem "Bild" vor Augen scheint eine Unendlichkeit nicht vorstellbar.
Jedoch ist die Zeit nur relativ, wie Einstein theoretisch darlegte, und hängt vom ebenfalls relativen Standpunkt eines Beobachters ab.
Die Raumschiffgeschichte ist uns allen klar. Wenn ein Astronaut 20 Jahre mit (annähernder) Lichtgeschwindigkeit unterwegs wäre und zur Erde zurückkäme, so wären dort Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende vergangen, wohingegen er nur subjektiv um 20 Jahre gealtert wäre.
Das hat mich aber auf einen anderen Gedanken gebracht.

Angenommen wir hätten so leistungsfähige Teleskope, daß wir auf die Oberfläche eines Planeten schauen könnten, der in tausend Lichtjahren Entfernung von unserem Sonnensystem um seinen Stern kreist.
Weiterhin angenommen, dort existierten Lebensformen, so wie wir sie kennen und wir könnten diese Wesen beobachten, wie sie dort lebten und sich bewegten.
Doch was sähen wir da?
Sähen wir nicht das Licht, welches tausend Jahre zu uns unterwegs war und somit die Vergangenheit?
Wahrscheinlich wären diese Wesen längst tot und wir beobachteten nur die "Aufzeichnung" eines Zeitabschnitts.
Dieses aber jedoch völlig real und live zu diesem, für uns aktuellen, Zeitpunkt.

Der Astronaut, der heute startete, kehrte also, selbst erst um 20 Jahre gealtert, in einer fernen Zukunft wieder zur Erde zurück, der Blick durch unser Teleskop aber brächte uns die Bilder der Vergangenheit eines weit enfernten Ortes, die tausend Jahre zurückliegen.

Somit könnte man sich eventuell einen Beobachter vorstellen, der "unseren Zeitstrahl" von außen anschaute und somit einzelne Ausschnitte desselben einer genaueren Betrachtung unterziehen könnte.
Und siehe da, er würde feststellen, das sich alle Dinge genau in ihrer Zeit, an ihrem Ort und im entsprechenden Zustand befänden.
Und das wäre genau so und nicht anders, egal wie oft er sich denselben Zeitabschnitt auch vornähme.
Somit bleibt eine Endlichkeit auch rein relativ, denn wenn jemand stirbt, hört für denjenigen diese bekannte Welt einfach auf zu existieren, nichts weiter.
Wenn dies der Fall ist, fällt er aus Raum und Zeit, weil er gegenstandslos wird und damit in die Unendlichkeit, also das Nichts.
Das Nichts aber ist Nichts und bleibt es auch, dementsprechend also auch zeitlos und somit dürfte ein Tag der Existenz auf dieser Erde unendlich länger dauern, als ein Verweilen im Nichts.
Vor dieser Endlichkeit ist mir eigentlich nicht bange.

Deine Frage nach dem "wozu sich schulen, wozu reifen und wachsen" geht doch eigentlich synonym mit der Suche nach dem Sinn des Lebens.
Stellt sich diese Frage wirklich?
Ist es nicht viel mehr so, daß ein jeder von uns mit seinem Leben auf seine Art fertig werden muss?
Mir erscheint es sinnlos, sich auf ein "Danach" vorzubereiten, weil, egal wie dieses "Danach" aussähe, all unser hier angesammeltes Wissen und alle Erfahrungen keinen Wert mehr besäßen, weil alle Erkenntnisse außer Kraft gesetzt sind. Das ist alleine schon durch den Körperverlust gegeben.
Entweder du existierst als (körperlose) Seele irgendwo weiter (unwahrscheinlich), oder du wirst zu einem anderen Zeitpunkt an irgendeinem Ort wiedergeboren (eine diskutierbare Möglichkeit) oder du fällst ins Nichts (wahrscheinlich, s.o.).
In allen Fällen nützte dir dein hier erworbenes Wissen gar nichts mehr. Als körperloses Wesen wäre alle bekannte Physik außer Kraft gesetzt, wenn du wiedergeboren würdest, müsstest du dich erst einmal in die "neue Gesellschaft" einleben und von vorne anfangen und im Nichts zählte sowieso nichts mehr, weil dort eben nichts vorhanden wäre und du selbst zu nichts würdest.
Lernen tue ich also hier, und zwar nur für mich und entsprechend meinen Fähigkeiten und persönlichen Eigenschaften und Neigungen, denn ich bin ein neugieriger Mensch, der sich ihm alle bietenden Möglichkeiten nutzt, um zu erfahren, wobei ich mich selbstverständlich einer selbstauferlegten Moral und Ethik unterwerfe, indem ich das so tue, daß ich anderen damit keinen Schaden zufüge. Ich habe ja die freie Wahl.

Ich bin noch nicht einmal ein Atheist im eigentlichen Sinne der Bedeutung, weil ich nämlich gar nicht weiß, was unter dem Begriff "Gott" eigentlich zu verstehen ist, so daß ich in diesem Sinne überhaupt keine Aussage über seine (Nicht)Existenz treffen kann.
Ein Atheist begeht nämlich den Fehler, dass er die Aussage „Es gibt Gott“ als sinnvoll oder universell beantwortbar akzeptiert.


Ich werde nur ständig und überall mit solchen Hirngespinsten konfrontiert.
Das Lustige daran ist nämlich, daß nicht einmal die "wahren Gläubigen" erklären können, was unter dem Begriff "Gott" zu verstehen sei.
Aber so ist es halt mit ihnen, sie glauben eben, was ihnen in den Ritualen an ihren Kultstätten erzählt wird.
Das ist vergleichbar mit kleinen Kindern, die an den Osterhasen und den Weihnachtsmann glauben...


Moin Hans,

erst einmal sollten wir uns darauf einigen, daß Leibniz' Monadentheorie nicht den Naturwissenschaften, sondern seiner Philosophie, also der reinen Geisteswissenschaft entsprungen ist und zwar aus seinem idealistischen Weltbild heraus.
Leibniz war zwar auch Naturwissenschaftler, jedoch ist die benannte Theorie auf keinen Fall empirisch nachweisbar und von ihm in seiner Rolle als Philosoph aufgestellt worden.
Das ist ein ganz wichtiges und entscheidendes Merkmal.
Leibniz charakterisiert die Monaden als metaphysische, beseelte Punkte oder metaphysische Atome, die keine Ausdehnung besitzen und somit keine Körper sind und aus denen sich letztlich alles Wahrnehmbare im Universum zusammensetzt.
Damit werden sie sozusagen zu spirituellen Atomen, die ewig, unzerlegbar und einzigartig sind.
Weiterhin behauptet er, daß Geist, Seele und Leib nicht grundsätzlich verschieden seien, sondern nur einen entsprechenden Entwicklungsstand der Monaden darstellten.
Er geht dabei sogar so weit und verwirft den absoluten Charakter von Raum und Zeit, denn Raum und Zeit werden in seiner Metaphysik als Ordnungsbeziehungen zwischen Entitäten (alles Existierende) der materiellen Welt verstanden.
Die ganze Sache aber hat einen Haken.
Damit diese Monaden sich nicht willkürlich zusammensetzen, bedarf es eines Gottes, der ihnen eine koordinierte Wirkung sichert.
(Was jetzt alles freilich nur sehr vereinfacht dargestellt ist.)
Somit hat er sich zwar bemüht, die Einheit der Welt nachzuweisen und die in ihr wirkenden Gesetzmäßigkeiten aufzudecken, wird aber quasi schon von Kant in der "Kritik der reinen Vernunft" widerlegt, da Kant die Monaden nicht mehr als metaphysische, sondern nur noch als physische und somit seelenlose Punkte erklären kann, nämlich als raumerfüllende Sphären mit anziehender und abstoßender Kraft.
Somit bleibt Leibniz' Monadentheorie eine reine metaphyisische Hypothese, die weder bewiesen, noch verifiziert ist, weil die Bedingung, unter der sie gültig sein soll vorgegeben ist, was in diesem Falle ein steuerndes, höchstes notwendiges Wesen voraussetzt.
Womit wir wieder beim Thema wären...

In kann dieser Theorie nach meinem jetzigen Wissensstand nichts abgewinnen.

Frage beantwortet?


Liebe Grüße

Falderwald


PS:

@ Hans

Wenn eine Frau fragt, ob sie das rote oder das blaue Kleid anziehen soll, dann antwortet ihr der Agnostiker: Liebling, du siehst in jedem Kleid hinreißend aus, es ist aber nicht auszuschließen, daß du in dem anderen besser aussiehst...
Das schmeichelt zwar der Frau, hilft ihr aber letztendlich nicht weiter.
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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