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Alt 01.05.2011, 20:19   #6
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Hi Stimme der Zeit,

zuerst einmal freue ich mich, daß die Vertonung gut rüber gekommen ist.
Wenn man so ein Musikstück zusammengestellt, den Text eingesprochen und anschließend alles abgemischt und arrangiert hat, ist man selbst nicht mehr objektiv, weil man jede Stelle in und auswendig kennt.
Wenn's dann dem Hörer gefällt, weiß der Autor, daß sich die Mühe gelohnt hat.

Daß dies ein Reizthema für viele Menschen in unserer heutigen aufgeklärten Zeit ist, zeigt sich bei dieser Art von Texten immer wieder.

Nun, es gibt keine wissenschaftlich allgemein anerkannte Definition des Begriffs Religion und viele setzen Glauben mit dieser gleich, ich weiß aber, was du meinst.
Nennen wir die Religion eine Institution, die ein Dogma vertritt.
Von diesem Dogma aus wird versucht, die Welt zu erklären und den sogenannten Gläubigen ein komplexes, aber dennoch relativ einfaches moralisch ethisches Denkmuster zu vermitteln.
Sicherlich hatten die Religionen diesbezüglich eine Daseinsberechtigung und waren vielleicht auch durch die Gründer durchaus gut gemeint, jedoch wurde dies, wie immer in der menschlichen Geschichte, pervertiert und ausgenutzt, denn nur wenn eine Religion auch Macht hat, kann sie auf längere Dauer bestehen. Dafür sind u. U. alle Mittel recht, von Verleugnungen wissenschaftlicher Tatsachen bis hin zu Mord und Totschlag aus Glaubensgründen. Und die Inquisition der röm. kath. Kirche wollen wir nicht unerwähnt lassen.
Als Mittel wird in fast allen Religionen den Gläubigen bei Verstößen gegen die Grundordnung (Sünden) mit Strafe (Hölle) gedroht und bei Wohlverhalten ein paradiesisches Jenseits angeboten, was der Einzelne jedoch nur durch diese Institution erreichen kann, womit sich also ihre Notwendigkeit von selbst erklärt. Das ist das alte Prinzip "Zuckerbrot und Peitsche".
Und Hoffnung soll damit auch vermittelt werden, vor allen denjenigen, die ein karges Leben führen, was wohl immer noch dem Großteil der Menschheit widerfährt und sie damit zu einem leichten Opfer macht.

Das Schlimme dabei ist nur, daß jede Religion sich für die einzig wahre hält und viele dieser Institutionen sich missionierend betätigen und die Anhänger der anderen Glaubensrichtungen als Heiden, Ketzer und Ungläubige bezeichnet, die im Prinzip minderwertig sind und ausgemerzt werden müssen.
Und daraus erfolgt für mich nur ein Schluss: Solange es Religionen gibt, wird es niemals Frieden für die Menschen geben, weil diese Verblendeten sich immer wieder etwas einfallen lassen werden, um den anderen Schaden zuzufügen.

Eine Überzeugung oder einen Glauben zu haben, ist eine Sache, einem anderen diesen aber teilweise mit Gewalt, auch psychischer, aufzwingen zu wollen, eine ganz andere.

Alles im Namen eines Schöpfer, als wenn irgendjemand auch nur annähernd ahnen könnte, welche Motivation ein solches Wesen, wenn es denn ein höchstes notwendigen Wesens gäbe, bewegt und handeln lässt.
Das ist ja das Irre, daß die Religionen, also Menschen, einem solchen Bewusstsein menschliche Eigenschaften unterstellt.

Einfach nur lachhaft...


Moin Frau Löwenzahn,

genau das ist ja der Knackpunkt.

Es gibt ja viele Namen für das Weltgericht, u.a. Jüngstes Gericht, Gottesgericht, Weltuntergang oder Apokalypse, wie in der Johannes Offenbarung.
Diese Apokalypse oder Jüngstes Gericht findet sich gleichermaßen in den Schriften des Judentums, Christentums und des Islams wieder.
Wenn ich mir aber vor Augen halte, wo diese Massen sind, in Lateinamerika, Asien und Afrika, dann können wir nicht von den europäischen Verhältnissen ausgehen.
Und im Christentum findet sich noch etwas Besonderes, nämlich diese scheinheilige Frömmigkeit vieler, die glauben, sie könnten durchaus sündigen, müssten aber nur in die Kirche gehen und könnten sich da ihre Absolution holen, um sich von allen Sünden freisprechen zu lassen.
Das kann sogar der perverseste Mörder tun, das muss man sich nur mal vorstellen.
Die solcherhalb "gesalbten, scheinheiligen Frommen" können dann ganz beruhigt das Weltgericht abwarten, weil sie sich ja auf der sicheren Seite befinden.
Und das auch in Europa sehr wohl große Massen an solchen geistlichen Ritualen teilnehmen, konnte man gerade heute wieder wunderschön beobachten und zwar bei der Seligsprechung des früheren Papstes Johannes Paul II in Gegenwart von mehreren Hunderttausend Pilgern in Rom.
Was für eine Lachnummer.

Und gerade weil die große Masse der Gläubigen durch die Androhung dieses Weltgerichts aufgefordert werden, ein bestimmtes Verhalten anzunehmen, kommt es immer wieder zu den von dir angesprochenen Verhaltensmustern.

Und das kriegst du aus diesen Köpfen auch nicht mehr heraus.

Aber bei vielen, da liegst du ganz richtig, ist das nur eine Art von Scheinheiligkeit zur Beruhigung des eigenen Gewissens.
Und das habe ich versucht hier u. a. auszudrücken...


Servus larin,

eine paar Gegenfragen:

Warum sollte überhaupt ein Gottesbild zustande kommen?
Und was brächte eine gütiger Gott ein?

Ein Gott, der nur gut ist, wäre ja viel zu schön um wahr zu sein, davor hätte aber der freche kleine Mensch keinen Respekt und der Kirche bleiben keine Sanktionsmöglichkeiten, um das Verhalten ihrer Schäfchen zu steuern.

Ich weigere mich, dieses Ding zu personifizieren, weil niemand etwas davon wissen und weder einen Gott noch seine Motivation, geschweige denn seine Notwendigkeit erklären kann.
Es heißt immer nur, die Wege des Herren sind unergründlich, Gott ist allmächtig, er ist der Schöpfer, sein Wille geschehe und damit hat es sich.

Wenn ich mir unter diesem Begriff "Gott" auch nur annähernd etwas vorstellen müsste, dann käme ich lediglich zu dem Ergebnis, daß alles, was existiert, in Verbindung miteinander steht, also unsere gesamte wahrnehmbare Welt (Universum).
Ob dieses Etwas, diese Gesamtheit aber ein höheres Bewusstsein besitzt, bleibt rein spekulativ und wenn doch, dann wird es weder strafend, noch gerecht oder gütig sein, sondern lediglich völlig neutral, denn alles, was existiert, ist eben ein Teil von diesem, was auch alles Böse und alles Gute, wie wir es kennen, mit einschließen müsste.
Also geht es mich auch nichts an.

Was den Götterglauben angeht, ist er wahrscheinlich schon so alt wie die Menschheit.
Was hat es nicht all schon für Götter gegeben, an die die Menschen glaubten.
Und auch wenn wir heute wissenschaftlich und technisch schon gut voran gekommen sind, so sind wir, was das Leben selbst betrifft, sicherlich nicht weiter, als unsrere Vorfahren in der finstersten Steinzeit, nur eben noch etwas subtiler.

Götter hatten immer eine bestimmte Funktion. Es gab (gibt) Schöpfergötter, Himmels- und Sturmgötter, Sonnen- und Mondgötter, Erd- und Wassergötter und die Götter mit sozialen Funktionen als Hüter der Moral und Gesellschaft, Kriegsgötter und Beschützer, Fruchtbarkeitsgötter, Haushalts- und Dorfgötter, Götter der Heilung, Krankheit und des Todes, Götter der Kultur, Künste und Technologie, Gottmenschen und Halbgötter, immer so, wie man sie gerade brauchte. Aber immer bezeichnete der Begriff Gott ein übernatürliches Wesen oder eine höhere Macht, weil es für manche Dinge eben (noch) keine Erklärung gibt.

Deshalb ist dein Einwurf bezüglich der selektiven Wahrnehmung gar nicht von der Hand zu weisen, weil alles abhängig ist von persönlichen Erfahrungen, Erwartungen, Einstellungen und Interessen. Daß dies aber nicht gut gehen kann, sollte ebenso klar sein, zumindest solange in den Religionen bestimmten Dogmen gehuldigt und Ethnozentrismus praktiziert wird, weil gerade das Letztere sehr intolerant gehandhabt wird.
Dabei sollte doch in unserer immer weiter zusammenrückenden Welt das kritische Erkennen und Akzeptieren des eigenen unvermeidlichen Ethnozentrismus' und das Erlernen Interkultureller Kompetenz an erster Stelle stehen, um in einer Multikulturellen Gesellschaft das Miteinanderleben erträglich zu machen.
Aber das ist eben noch lange nicht in Sicht, u.a. durch die Kriegstreiber Religion. (Ich möchte den (Zen-)Buddhismus hiervon ausdrücklich ausnehmen.)

Und das ist eben, wie du es so schön ausdrückst, der Spiritus, den wir alle im Kopf haben.


Vielen Dank für eure anregenden Gedanken, die Diskussion und das Lesen und Kommentieren dieses Textes...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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