Thema: Glut
Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 30.04.2017, 16:50   #5
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard

Hi EV!

Öfter mal entschlägt sich so ein Schlauberger seiner "Weisheit", als hätte er nach seinem Geschmack das Recht, den anderer zu bestimmen, indem er im Nimbus des Mehrwissenden behauptet, dieses oder jenes sei angesagt oder anderes nachgerade unerträglich!

Letztlich kommt es auf die Anwendung an, auf die Art der Verflechtung und des Klanges, ob und wie etwas wirkt. Linkisch ist, was aus linkischer Feder fließt. Das ist alles.

Darüber hinaus zu behaupten, irgendetwas sei per se lyrisch ungeschickt, weil es aus sich heraus nicht klinge oder genug Substanz habe, halte ich für arrogant und kurzsichtig, dem jeweiligen Zeitgeschmack unterworfen - oder einfach für herablassende Wichtigtuerei.

Im richtigen Moment eingesetzt, können eine Verkürzung, eine leichte Inversion oder eine Häufung von Partizipien, ein "Und" am Satzbeginn und unzählige andere sog. "Nogo's" durchaus von Wert sein und sich nahtlos in ein Ganzes fügen, das mit ihnen sogar noch gewinnt!

Diesen richtigen Moment zu erkennen, ist die wahre Kunst der Wortweberei. Gestelzt daherdichten können viele, das lernt sich mit der Zeit, und bis zu einem gewissen Punkt wirkt es elegant und gekonnt. Aber nur wenige "Große" haben es je geschafft, dem Baukasten Sprache mehr abzuringen, als auf der Verpackung abgebildet ist! Bei ihnen hören sich sogar eindeutige lyrische Unregelmäßigkeiten und Schnitzer perfekt und schön an - Rilke war ein solcher.

Diese Genies haben aber mit Sicherheit nicht auf jene NeunmalKlugen gehört, die glaubten, sie hätten auf ewig darüber zu bestimmen, was man in der Lyrik dürfe und was nicht, so als dürfe ausgerechnet ihr Ohr und persönliches Empfinden darüber richten.

Grundsätzlich halte ich es so: Ich vertraue auf meinen eigenen Geschmack, mein eigenes Ohr. Die Regeln, die damit konform gehen, wende ich an, jene, die mir zu rigide oder einschränkend wirken, ignoriere ich, egal, was dann irgend so ein Korinthenkacker findet. MIR muss gefallen, was ich schreibe - auch auf die Gefahr hin, anzuecken oder nach Jahren der lyrischen Reifung festzustellen, dass ich mit etwas falsch lag.

So befolge ich diverse klassische Sonettregeln bis heute nicht, spiele mit der Form (wie oben ersichtlich) und probiere mich daran immer neu aus. Es ist MEIN Weg, den ich gehe, und ich schere mich einen Dreck um jene, die - warum auch immer - über etwas bestimmen wollen, indem sie ihm ihre eigene Sicht der Dinge aufzuzwingen versuchen.

Soweit klar?

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten