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Alt 20.09.2011, 18:01   #12
Stimme der Zeit
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Hallo, eKy,

ich sagte dir bereits, dass ich eine „Schwäche“ für Pferde habe. Daher habe ich mir von deinen Sonetten natürlich dieses hier „herausgepickt“.

Zitat:
Seid Anmut, Kraft und schiere Lebensfreude,
die euren Leibern so viel Regheit schenkt,
entronnen einem dunklem Stallgebäude,
das euch die Häupter wie die Herzen senkt.
Anmut, Kraft und schiere Lebensfreude, das entspricht der Symbolik, für die das Pferd steht. Ich assoziiere es auch genau damit. Wer schon einmal ein Pferd über eine Weide galoppieren sah, der weiß, wovon die Rede ist. Für mich symbolisiert es auch etwas, das ich den „Geist der Freiheit“ nennen möchte.

Manche allerdings stehen den ganzen Tag über im Stall, da die Besitzer häufig nur am Wochenende Zeit zum Reiten haben. Kein Wunder, dass diese bewegungsfreudigen Geschöpfe dann unter Verhaltungsstörungen leiden. Vom Krippensetzen bis hin zum Weben. Sie werden zwar versorgt, gepflegt und gefüttert, aber viele Pferde werden als „Statussymbol“ gehalten und daher oft tagelang nicht bewegt.

Zitat:
Verliert euch in verspielten Kapriolen,
solang das jähe Rufen euch nicht findet,
das jene tun, die euch des Abends holen
nach Hut und Hege, die euch an sie bindet.
Als junges Mädchen half ich beim Pferdepflegen auf einer Jugendfarm, auf der auch einige "Pferdesenioren" ihren Lebensabend verbrachten. Geritten wurden eigentlich nur die Ponys. Es genügte schon die Nacht im Stall, um die Pferde und Ponys morgens Bocksprünge machen zu lassen. Einfach aus Freude, wieder „im Freien“ zu sein. Morgens waren sie beim Striegeln und Füttern immer sehr ungeduldig, sie wussten, dass es danach hinaus geht und waren regelrecht „zappelig“.

Und, wie von dir so anschaulich geschildert: Sie abends dann wieder in den Stall zu bekommen, war nicht bei allen von ihnen leicht. Manche konnten wir nur mit „Leckerbissen“ wie einer Karotte, einem Apfel oder einem Stück trocken Brot „überreden“. Sobald es kälter wurde, oder wenn es heftig regnete, war es einfacher, denn Wärme und Futter lockten sie von selbst.

Aber häufig sind es nicht nur „Hut und Hege“, die sie binden. Damals zumindest gab es eine Norwegerstute, Freya, die mit einem Mädchen eine besonders enge Gefühlsbeziehung hatte. Wenn sie da war, folgte ihr Freya wie ein „Hündchen“ und wieherte empört, wenn „ihr“ Mensch wieder ging. Dabei war sie allen anderen Jugendlichen gegenüber ausgesprochen „bockig“ und man musste immer Acht geben, da sie gerne „schnappte“.

Zitat:
Seid beinah frei, seid ganz, seid rote Pferde
für die Momente, die euch keiner rief,
seid selten Glück und Seligkeit der Erde
Heutzutage sind selbst wilde Pferde nicht mehr ganz frei, sondern eben nur "beinahe", vielleicht sind sie deshalb auch nicht mehr „ganz“? Eine Überlegung, die sich bei mir einstellt, wenn ich den ersten Vers lese. Rot ist die Farbe der Liebe, die Farbe des Blutes und somit auch des Lebens.

„Alles Glück dieser Erde liegt auf dem Rücken der Pferde“. Im Original lautet das Sprichwort: "Das Paradies der Erde // liegt auf dem Rücken der Pferde, // in der Gesundheit des Leibes // und am Herzen des Weibes." - Friedrich von Bodenstedt

Zitat:
all jenen, die euch gerne sehn und schauen,
da ihr erweckt, was lang in ihnen schlief,
weil es gefroren war - nun mag es tauen!
Auch wenn es über 20 Jahre her ist, seit ich zum letzten Mal geritten bin, habe ich das Gefühl dabei nicht vergessen. Und ich sehe mir Pferde immer noch sehr, sehr gerne an, besonders, wenn sie sich, ganz ohne Reiter, im Freien aufhalten. Von meinem persönlichen Standpunkt aus sind sie immer noch reine Ästhetik, als ob sich die Natur bei ihnen etwas ganz Besonderes hätte einfallen lassen. Wenn ich einem Pferd beim vollen Galopp zusehe – dann „taut“ wirklich etwas, und mein Herz möchte am liebsten „mitgaloppieren“ ...

Du hast die Stimmung des Bildes gut „eingefangen“, obwohl ich damit dem „Freiheitsgeist“ ja beinahe widerspreche.

Also: Zunächst dieses Lob zum Versüßen, denn ganz ohne Anmerkung geht es bei mir selten:

Ein wenig schade finde ich, dass du die bunten, kräftigen Farben (Gelb, Grün, Blau und das Orange / Rot, das sich auch in den Pferden findet - bzw. umgekehrt) des Hintergrundes nicht auch in einen "Vers verpackt" und mit eingebunden hast. Aber ein Sonett bietet eben nur "begrenzten Platz", ich verstehe schon, dass du hier "Prioritäten" setzen musstest.

Zitat:
Seid Anmut, Kraft und schiere Lebensfreude,
die euren Leibern so viel Regheit schenkt,
Seid Anmut (1), Kraft (2) und (schiere) Lebensfreude (3) – für mich ist das eine Hendiatris (Drillingsformel), (3 Begriffe = 1 „Oberbegriff“; in diesem Fall: Anmut/Kraft/Lebensfreude = das „symbolische“ Pferd). In diesem Sinne müsste es doch „Regheit schenken“ heißen, oder? Denn ansonsten würde es bedeuten, dass nur die Lebensfreude „ihren Leibern so viel Regheit schenkt“, Anmut und Kraft gehören also nicht dazu ... (?)

Ich weiß schon, was du dazu sagen wirst. Deshalb ist es ja auch weder Kritik noch ein Verbesserungsvorschlag, sondern lediglich eine Anmerkung.

Sehr gerne gelesen und kommentiert.

Liebe Grüße

Stimme
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