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Alt 30.09.2011, 19:06   #14
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Registriert seit: 07.02.2009
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Hallo Erich,

ich habe mich lange Zeit hier drumherum gedrückt, weil ich zugeben muss, daß ich bezüglich Gemälde ein Kunstbanause bin.

Es mag daran liegen, daß ich eine Farbenschwäche habe und sicherlich manche Feinheiten gar nicht wahrnehmen kann.
So war auch der Kunstunterricht in der Schule immer ein Greuel für mich und wo es nicht um rein rationelle Dinge wie geometrische Figuren ging, war meine Kreativität aufgeschmissen. Ich habe ein großes Problem mit Grün und Rot...

Nun gut, Gemälde bestehen ja nicht nur aus Farbe allein und so erkenne ich natürlich das meiste, aber sie haben nie im Mittelpunkt meines Interesses gestanden.
Manche dieser wohl berühmten Künstwerke haben erst durch die Verlinkungaktion (wieder) in mein Bewusstsein gefunden.

Natürlich kannte ich die Mona Lisa oder die Fischerboote von da Vinci und einige andere, aber ich möchte an der Mona Lisa einmal meine subjektive Abneigung erkären.
Das ist ein wundervolles Bild an sich, keine Frage, aber die Person, die darauf abgebildet ist, kann ich nicht mögen. Sie wirkt auf mich eher abstoßend und unsympathisch.
Auch mit den Klimt-Bildern kann ich nicht allzuviel anfangen. Sie sind sicherlich sehr ungewöhnlich und "abgefahren", vielleicht sogar einzigartig und das Genie und der Stil des Künstlers sind unverkennbar, aber deswegen muss ich sie nicht unbedingt mögen. Das ist mein Problem...

Ich habe aber zwei Favoriten, zwischen denen ich mich entscheiden musste:

"Das Dorfmädchen" von Gainsborough

"Die Landschaft" von Renoir

Da beide Bilder mich sehr berühren konnten, musste ich den gewidmeten Text entscheiden lassen, und so kämen wir jetzt zum "Dorfmädchen"...

Nie trug die nackte Armut solch ein Dulden
gleichwie Versonnenheit, als dieser Blick
geprüfter Augen, deren Unverschulden
nie Trost für sie bereithielt und nicht Glück.


Das ist super gelungen und beschreibt wirklich sehr schön den Gesichtsausdruck und die Haltung dieses Mädchens. Dazu braucht man gar nichts weiter zu sagen.

Gebrochen wie der Krug erscheint ihr Leben,
doch so wie er erfüllt sie ihre Pflicht,
und weiß doch Wärme, die sie kennt, zu geben,
fühlt auch ihr Dasein solche Wärme nicht.


Davon kann man ausgehen. Und hier zeigt sich auch der alte Spruch "Der Krug geht solange zum Brunnen, bis er bricht".
Das Mädchen geht Wasser mit dem beschädigten Krug holen, weil sie es brauchen und kein anderes Gefäß zur Verfügung haben.
Sie erfüllt diese Pflicht scheinbar gefühllos und abwesend, doch zeigt der kleine Hund, den sie zärtlich im Arm hält, doch ihre Sehnsucht nach Wärme, die sie zwar zu geben weiß, aber in ihrem Dasein nicht erfährt.

Sie rührt mich an, ein Inbild alles dessen,
was uns versagen macht wie auch bestehn,
und sei sie auch begraben und vergessen,

so werden Lebende an diesem Bilde reifen,
wenn ihre Augen es als das begreifen,
was ihre Herzen längst schon darin sehn.


Dieses Bild ist wirklich anrührend. Hier sehen wir in einen Spiegel unserer Schuld und unseres Versagens gegenüber einem empfindsamen Wesen, denn diese Schicksale liegen in vielen anderen Teilen der Welt leider immer noch an der Tagesordnung.
Unsere Herzen haben es längst erkannt, jedoch verweigern uns die Sinne manchmal die Gefolgschaft, weil sie gar nicht umsetzen wollen, was eigentlich eine Gewissheit ist.
In diesem Bild liegt eine ganz Welt verborgen und es kann nur eine Reaktion darauf geben, nämlich ein herzliches Mitgefühl und der Glaube an die Liebe, die das einzig Positive in unserem trostlosen Dasein sind.
Alles reflektiert auf diesen melancholischen kleinen Menschen: Sein Leid, seine Treue und Pflichterfüllung und seine Liebe.

Ein wahrlich gelungenes Sonett zu einem genialen Bild und ich merke, daß ich vielleicht doch Interesse entwickeln könnte...


Gerne gelesen und kommentiert...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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