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Alt 31.03.2017, 13:16   #12
Thomas
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Liebe Fee,

es ist wirklich keine Zeitverschwendung, wenn du herausfindest, was Schiller genau meinte. Ich habe die "Ästhetischen Briefe" schon mehr als ein Dutzend Male gelesen und finde immer noch Neues und Interessantes. Das erste Problem bei Schiller ist, dass man den ganzen Unsinn, der über ihn 200 Jahren lang geschrieben wurde, vergessen muss, um ganz einfach nur ihn zu lesen, diesen idealistischen Realisten. Das zweite Problem ist, dass man vor dem Anspruch, den er an den Dichter – und sich selbst – stellt, nicht erstarrt und deswegen blockiert.

Natürlich verlieren diese alten Kunstwerke "einen Teil" ihrer Aussage, das Wunderbare ist aber, dass sie überhaupt noch eine Aussage haben. Meine Behauptung ist, dass dieses das Wesentliche ist, genau wie das Körnchen Gold in der Schaufel voll Sand.

Ich habe es ja schon wiederholt gesagt, natürlich verändert sich die Sprache, aber das ist ganz nebensächlich, denn es geht mir ja nicht um den Sand, sondern um das Goldkörnchen, also darum, wie sich das Universelle auf neue Weise darstellt.

Wiki ist ja manchmal hilfreich, hier etwas diffus. Bezogen auf die Sprache ist die Unterscheidung in die drei Gattungen Drama, Epos, Lyrik verwirrend, wenn man nicht nachschaut, was Goethe seinerzeit damit meinte (nämlich poetische "Haltungen", das ist nichts für Schubladendenker). Es führte (falsch verstanden) dazu, Gedicht mit Lyrik gleichzusetzten. Ein Gedankengedicht z.B. kann (sollte?) lyrisch sein, muss es aber nicht. Auf Lyrik im engeren Sinne, wie ich es verstehe, trifft genau das zu, was Theodor Storm in dem Zitat sagt. Deswegen freue ich mich darüber.

Liebe Grüße
Thomas


P.S.: Wir sind nun ein wenig vom Thema des Gedichts abgekommen, was aber gar nichts schadet. Übrigens möchte ich noch anmerken, dass der Umgang mit den "Alten" meiner Meinung nach auch so aussehen kann, dass man einem Dichter, den man sehr schätzt einfach nacheifert (und vielleicht sogar übertrifft), das ist besser, als sich kreativ zu gebärden und unbedingt Neues zu machen, weil Neues ja nicht unbedingt, nur weil es so schön neu ist, auch Gutes sein muss – neu und gut, das gefällt mir. Oder, mindestens ein Goldkörnchen muss in dem Sand sein, den man dem Leser ins Auge streut.
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© Ralf Schauerhammer

Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller

Geändert von Thomas (31.03.2017 um 18:10 Uhr)
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