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Alt 12.12.2018, 20:02   #12
Thomas
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Lieber Jongleur,

letztendlich kann man alles politisieren, da hast du Recht, also kann man Poesie auch als politisch betrachten. Meine Frage war jedoch, ob das dann gute Poesie ist. Ich will versuchen zu verdeutlichen, was ich meine.

Als Beispiel nehme ich "Das Lied der Deutschen" von Hoffmann von Fallersleben, dessen dritte Strophe unsere Nationalhymne ist. Das ist ein schöner Text, sogar ein Gedicht, aber ist es gute Poesie?

Die erste Strophe singen wir nicht mehr. Als sie geschrieben wurde, war sie völlig berechtigt, denn Deutschland gab es noch nicht und "Deutschland, Deutschland über alles" bedeutete für jeden erkennbar so viel "unser Streben nach einem vereinten Deutschland sollt uns über alles gehen". Leider haben bornierte Nationalisten später, als die Deutsche Nation lange bestand, diese Zeilen missbraucht, weshalb wir sie heute nicht mehr singen können.

So schön ich das Gedicht finde, es ist trotzdem nicht besonders poetisch, wie fast alle politischen Gedichte. Es regt die Einbildungskraft des Lesers kaum an und sagt eigentlich nichts "unsagbares", was meiner Meinung nach das Wesen der Poesie ausmacht.

Ich habe hier versucht, etwas zu schreiben, was zwar politisch ist, aber trotzdem einen gewissen metaphorischen Gehalt hat. Ob es gelungen ist, weiß ich nicht. Aber bornierte Politkommentare erscheinen mir da nicht hilfreich, eher frustrierend, weshalb mir Chavalis Mahnung übrigens gar nicht so ungelegen kam.

Liebe Grüße
Thomas
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© Ralf Schauerhammer

Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller
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