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Alt 13.12.2016, 07:31   #15
Angelika
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Erich, man muss doch kein Nazi sein, um sich einen röhrenden Hirsch übers Sofa zu hängen. Da denke ich eher an den kleinen BILD-Leser der fünfziger, sechziger Jahre. Wobei der röhrende Hirsch als Kitschsymbol heutzutage ausgedient hat. Und die Nazis hatten doch eine ganz andere Kunstvorstellung.

Heutiger Kitsch ist eher sachlich betont und wird von der Kunstszenerie völlig unkritisch als Kunstgenre eingeordnet, sozusagen Auge in Auge mit wirklicher Kunst. Er ist demzufolge auch schwer als Kitsch erkennbar. Die Ausstellungen sind voll davon. Das ästhetische Wissen und Gefühl sowohl der Ausstellungsmacher als auch der Ausstellungsbesucher ist so weit abgeflacht,
dass sie alles schlucken, was ihnen der letzte Farbkleckser als Kunst anbietet.
Das ist das wirkliche Problem, Erich, die ausufernde Beliebigkeit, die Scheu vor der politischen Aussage, und wir leben in einer hochpolitischen Zeit, die Kunst ist bemüht, sich den Anschein von Neutralität zu geben, und versumpft dadurch mehr und mehr, ohne dass es die Allgemeinheit zur Kenntnis zu nehmen in der Lage ist. Wenn man an die Hochkunst der zwanziger Jahre denkt - sie war immer politisch, nicht immer direkt, oftmals aber indirekt. Selbst ein Porträt hatte eine politische Aussage.

Heute geht es ums Auffallen. Und wenn einer seine Bilder verkehrtrum an die Wand hängt, fällt er auf. Die wirkliche Triebkraft der Kunst ist also nicht mehr die Kritik an gesellschaftlichen Zuständen, der Wille, mit Hilfe der Kunst den Menschen nicht nur ästhetisch zu erreichen, ihm einen inneren Halt zu geben, sondern der Überlebenswille des Künstlers.

Angelika
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