Thema: Toter Soldat
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Alt 19.05.2010, 22:16   #14
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Hallo Mike,

ich bin gerne bereit, die Metrik an der betreffenden Stelle mit dir zu diskutieren.
Wie du ganz richtig schriebst, ist die die letzte Silbe des Wortes "redeten" eigentlich nicht betont.
Das war genau der Grund, warum ich das schwache "es" dahinter gesetzt habe. So wird der Leser geradezu gezwungen, die letzte Silbe "en" etwas betonter zu lesen.
Ich empfinde die Metrik an dieser Stelle eher als "neutral" und bedingt durch den Lesefluss, der sich durchs ganze Gedicht zieht, durchaus vertretbar.
Man könnte es sogar in einem Daktylus verwenden, wenn man die Betonung auf "es" legt, was m. E. alles legitim ist.

so redeten es sie dir ein
xXxxXxxX

Ich hadere noch etwas mit der von dir vorgeschlagenen Umstellung, verspreche aber, darüber noch einmal nachzudenken.

Nun versuche ich noch einmal Strophe zwei zu erläutern:

Letztenlich sagt der Text doch nichts anderes aus, als daß dort ein Staatsbegräbnis stattfand, bei dem die Gefallenen zu Helden erklärt wurden.
Wer tat das, wer erklärte sie dazu?
Das war unsere Bundeskanzlerin und ihr Verteidigungsminister, also höchste Representanten unsreres Staates.
Hinter solchen Reden steht ein Motiv, was es dem Zuhörer zu verdeutlichen gilt.
Das sind Ideale, für die Menschen in den Krieg geschickt wurden und werden.
Wer dafür stirbt, wer für diese staatlich verordneten Ideale also sein Leben lässt, der wird von diesem Staat zum Helden erklärt.
Mit diesen Idealen schickt ein Staat einen Mann in den Kampf.
Aber beschützt wird er dort nicht von ihm. Es ist ganz allein sein Leben und sein Risiko. (Zudem gab es noch viel Kritik an der Ausrüstung der deutschen Soldaten.)

Und so geht es dann auch in der dritten Strophe weiter, wo der Staat (s.o.) sich vor den Toten verneigte, die er im Leben niemals gekannt hat.
Es waren halt nur statistische Nummern, ein paar Soldaten von vielen, die jetzt für immer schweigen müssen.

Danke für deine erneute Rückmeldung...


Hi Jim,

ja, ich kann gut nachvollziehen, was du schreibst.

Natürlich sind wir alle mitverantwortlich dafür, weil wir, als Gesellschaft, dies mittragen.
Da nützt es auch nicht viel, sich an Demos zu beteiligen, die nichts einbringen.
Sie werden zwar wahrgenommen (z. T. werden sie auch bekämpft), aber morgen sind sie schon Schnee von gestern und damit vergessen.
Es interessiert die Machthaber einfach nicht und wird sie in ihren Entscheidungen nicht beeinflussen.

Dem Publikum werden Shows geboten, um es abzulenken.
Hier ein Skandal, dort ein Betrug, ein wenig Steuerhinterziehung, Furcht vor Arbeitslosigkeit und Inflation, Abbau unserer Sozialsysteme; das hält in Atem, vor allem, wenn es um den eigenen Hintern geht. Ein nettes Spiel mit der Angst.
Da ist es letztendlich völlig egal, ob da ganz weit weg ein Krieg stattfindet, an dem ja nicht nur unsere Soldaten beteiligt sind.
Solange es nicht vor der eigenen Haustür geschieht, ist alles in Ordnung.

Viele Menschen haben sich etwas "aufgebaut" und wollen das erhalten. Das liegt in der Mentalität des Menschen.
Wer am glaubwürdigsten darstellen kann, dies zu bewerkstelligen, der wird halt gewählt.
Das aber viele Wahlversprechen, die Hoffnungen erwecken sollen, gebrochen werden, ist eine Tatsache, die sich jetzt aktuell wieder bestätigt.
Das liegt natürlich nicht an den Wortgebern, sondern an den sich verändernden Umständen, die es nicht zulassen, das Wort zu halten, natürlich.

Mit einem Wort, wir werden ständig über den Tisch gezogen, hingehalten und manipuliert.
Und damit müssen wir uns so gut es geht arrangieren, ob uns das nun passt oder nicht.

Wem das nicht gefällt, der hat die Freiheit abzuhauen.
Oder aber er bietet Alternativen und wird dementsprechend aktiv.
Dazu bedarf es aber auch eines überzeugenden Konzepts.
Solange müssen wir wohl mit dem vorlieb nehmen, was sich bietet.

Lieber Jim, wer kann schon die Gesellschaft verändern?
Ein Dichter? Das haben schon ganz andere Geister versucht, ich erinnere an Kurt Tucholskys Kampf. Seine einzige Waffe war die Schreibmaschine.
Hat er etwas verhindern oder abwenden können?

Trotz alledem dürfen wir nicht aufhören, das Wort zu erheben.
Das Wort ist frei und die einzige gewaltlose Waffe, die wir zur Verfügung haben.

Ein schwacher Trost nur, jedoch ist es weit mehr, als viele andere Menschen auf dieser Welt besitzen.

Gelogen wird überall, egal welche politische oder religiöse Ausrichtung eine Gesellschaft, ein Staat besitzt.
Das gehört zum Geschäft, zum Showbusiness, das ohne Lügen gar nicht bestehen könnte.

Das wissen alle und doch sind sie alle hilflos diesem Prinzip ausgeliefert.
Und wir werden daran gar nichts ändern, solange das funktioniert.
Und das tut es, seit urlangen Zeiten. Ein Ende dieses Prinzips ist nicht abzusehen, das Ende des bestehenden Gesellschaftssystems jedoch schon.
Was danach kommt, wissen wir nicht.
Der Pessimist hat Angst vor den Veränderungen, dem Optimisten verbleibt wenigstens eine Hoffnung...

Zum Thema Helden:

„Helden sind Männer (oder seltener Frauen), die für Andere oder im Namen einer Idee große Taten vollbringen und dabei ihr Leben wagen."

So lautet eine offizielle Definition für den Begriff "Held".

Dabei bleiben die Motive und die Art der Taten völlig unberücksichtigt.

Derjenige, der Motiv und Handlung eines Menschen gutheißt, wird in ihm einen Held sehen.
Derjenige, der dies ablehnt, wird dies nicht.

Moral ist nur eine Frage des Standpunkts und die muss jeder für sich selbst definieren.

Wenn ich davon ausgehe, daß die in Afghanistan gefallenen Soldaten wirklich an ihre Aufgabe, nämlich das Verteidigen unserer Freiheit, geglaubt haben, dann sind es Helden, die ihr Leben im guten Glauben für uns gegeben haben.

Wenn ich aber denke, diese Menschen wussten, daß ihre Handlungen auf Lügen basierten, dann sind es Narren gewesen, die für eine fixe Idee sterben mussten.

Das kann sich nun jeder selbst aussuchen. Ich wage da keine Beurteilung.



@Mike

Auch wenn deine Worte an Jim gerichtet waren, erlaube ich mir eine kurze Antwort.

Ich bin auch der Überzeugung, daß das Ende des Kapitalismus' in seiner aktuellen Form kommen wird.
Jedoch wird sich das noch eine ganze Weile hinziehen, denn die jetzigen Machthaber werden sich solange wie möglich dagegen wehren.
Die Veränderung wird sicherlich von Heulen und Zähneklappern begleitet werden und es wird nicht ohne Verluste geschehen.
Hoffnung und Angst werden ihren Teil dazu beitragen.

Eines möchte ich jedoch zu bedenken geben. Wenn die freie Marktwirtschaft nicht funktioniert und staatliche Regularien gegeben sein müssen, dann setzt dies auch Nationalstaaten voraus.
Wir müssen uns nur langsam entscheiden, was wir eigentlich wollen.

Wollen wir unsere Staaten erhalten oder wollen wir z. B. ein vereinigtes Europa?

Darüber sollten wir uns schleunigst einig werden, denn so, wie es z. Z. abläuft, können wir uns nicht mehr lange leisten.

Der jetzige Weg führt ins Unglück, da stimme ich dir vollkommen zu.


Vielen Dank für eure Kommentare...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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